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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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schaute, bemerkte er in der Tiefe des Wassers, weil ein ganz besonders schöner Tag war, oder weil er jezt überhaupt alles schärfer beobachtete, daß einer der Bohlenzähne des Thores, die in das Wasser hinab ragten, kürzer sei, als die andern, und so eine Lüke bilde, durch die man vielleicht mittelst Tauchen in den See hinaus gelangen könne. Er beschloß auf der Stelle den Versuch zu machen. Zu diesem Zweke ging er in seine Stube und holte sich sein Schwimmkleid. Da er mit demselben zurük gekommen war, sich ausgekühlt und entkleidet hatte, ging er der größeren Tiefe des Wassers zu, legte den Körper längs der Fläche, tauchte vorsichtig, schwamm vorwärts, hob das Haupt und war außer den Bohlen. Selbst den Spiz, welchem er die Schnur abgenommen hatte, konnte er, weil er schlank war, zwischen den Bohlen zu sich hinaus bringen. Nun schwamm er freudig in großen Kreisen aufwärts und abwärts des Bohlenthores in dem tiefen See herum. Der Spiz neben ihm. Als seine Kraft gesättigt war, näherte er sich wieder der Bohlenlüke, tauchte, und kam unter die Kahnpflöke und unter das Bohlenhaus hinein. Er kleidete sich nach diesem Bade an, und ging fort. Das that er nun alle Tage. Wenn die größte Hize sich milderte, ging er in das Schiffhaus, machte sich schwimmgerecht, und schwamm, so lange es ihm gefiel, außer dem Bohlenthore herum.
    Es fiel ihm wohl in dieser Zeit ein, daß er seine Kleider nebst einem Vorrathe von Brod durch die Bohlen hinaus schaffen, und sie an eine Schnur gebunden schwimmend hinter sich her ziehen könnte, bis er das nächste herein gehende Ende der Anschlußmauer umschwommen hätte. Dort könnte er aussteigen, in einem Versteke die Kleider troknen und sie dann anziehen. Es würde doch möglich sein, wenn das Brod nur aushielte, eine Zeit zu erwarten, in der man ein auf dem See fischendes Schiffchen herzu rufen könnte. Ja selbst das fiel ihm in Zeitpunkten der erregtesten Einbildungskraft ein, daß er mit einiger Anstrengung seiner Körperkräfte und mit Aufrufung seines Geistes von der Insel etwa bis an den Orlaberg hinüber schwimmen könnte, wo er dann durch Klettern und Wandern in die Hul hinüber finden müßte. Es kam ihm die Ungeheuerlichkeit dieses Wagestükes nicht so ungeheuer vor, weil ja auch die Mönche einmal über den Orla in die Hul gestiegen sind, und noch dazu im Winter; aber das bedachte er nicht, daß die Mönche Männer waren, die das Gebirge kannten, er aber ein Jüngling sei, der in diesen Dingen gar keine Erfahrung besize. Aber wie lokend auch alle diese Vorspiegelungen sein mochten, so konnte er doch keiner derselben eine Folge geben, weil er dem Oheime versprochen hatte, bis zu dem nothwendigen Tage da zu bleiben - und dieses Versprechen wollte er halten. Darum kam er von dem Schwimmen immer wieder unter dem Bohlenthore herein.
    Außer dem Schwimmen brachte er die andere Zeit mit anderen Dingen hin. Er hatte jede und alle Stellen des eingeschlossenen Raumes schon besucht und kennen gelernt. Er wurde nun auf das Gehen und Kommen der Lichter auf den Bergen aufmerksam, und erkannte nach und nach die Schauer der Farben, die über sie gingen, wenn gemach die Tageszeiten wechselten, oder wenn die Wolken schneller an der blanken Deke des Himmels hin liefen. Oder er horchte durch die todten Lüfte, wenn er so saß, wenn die Sonne am Mittage stand, oder eben am Bergrande untergegangen war, ob er denn nicht das Gebetglöklein der Hul hören könne - denn auf der Insel war wirklich weder der Schlag einer Thurmuhr noch der Klang einer Gloke zu vernehmen: - aber er hörte niemal etwas, denn die grüne dichte Baumwand des größeren Theiles der Insel war zwischen seinem Ohre und dem Klange, den er damals Abends so schön an dem Felsenufer gehört hatte. - Es waren nach lange dauernden Sternnächten - denn Victor war zur Zeit des abnehmenden Mondes gekommen - endlich auch sehr schöne Mondnächte erschienen. Victor öffnete da gerne seine Fenster, und sah, da er von Menschen geschieden war, das zauberhafte Flimmern und Glizzern und Dämmern auf See und Felswänden, und sah die schwarzen vom Lichte nicht getroffenen Blöke mitten in dieser Flirrwelt wie Fremdlinge schweben.
    Mit Christoph und der alten Magd, wenn sie ihm begegneten, redete er kein Wort, weil er es nicht für würdig hielt, da er schon mit dem Herrn nicht spreche, mit seinen Dienern Reden zu wechseln.
    So ging die Zeit nach und nach dahin.
    Eines Tages, als er gegen fünf Uhr über den Blumenplaz gegen das

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