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Der Hahn ist tot

Der Hahn ist tot

Titel: Der Hahn ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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ankämpfte.
    Die Tür flog auf: Witold, Ernst, Kitty, Scarlett, Hilke, Beate und Vivian tänzelten herein, alle in modischer Freizeitkleidung, gebräunt (bis auf Vivian) und sportlich, lustig und erfolgreich.
    »Wir haben dir etwas mitgebracht«, sagte Witold, der Samariter, und krönte mich mit einem Kränzlein aus Rosmarin. Das war zuviel, ich murmelte qualvoll: »Ho...«, »ho ...«, und kam nicht auf das Zauberwort, »hoppla«, so wie Kalif Storch nicht auf »mutabor« und Ali Babas Bruder nicht mehr auf »Sesam, öffne dich« gekommen waren. Aber Kitty half mir, kniete sich neben mich und flüsterte in mein Ohr das rettende »Hoppla!« Ich sprach es laut, worauf sechs Köpfe unter mein Bett rollten. Kitty, die zum Lohn heil geblieben war, lüftete gründlich, ergriff einen Besen und fegte die Stube rein.
    Die Häupter, die sie wie faules Obst mit dem altmodischen Reisigbesen vor sich her trieb, hatten ihr braungebranntes Aussehen schlagartig verloren und zeigten die angemessene Leichenblässe, nur Vivians im Leben so morbider Kopf blühte blutrot auf. Auch der Tau auf meinem Rosmarinkranz perlte in klebrigen Blutstropfen auf meine Stirn und rann als feurige Spur über mein gecremtes Gesicht.
    Mit einem gräßlichen Schrei wachte ich auf.

 
7
     
    T rotz dieses unguten Vorzeichens - denn als solches empfand ich den Traum - trat ich die gemeinsame Fahrt an. Wir starteten mit zwei Autos und ohne das pflichtvergessene Ehepaar Mommsen.
    Ich hatte meinen Wagen in Ladenburg vor Witolds Haus stehen lassen, dann fuhren wir nach Schriesheim, um Kitty abzuholen. Da Schröders noch nicht fertig gewesen waren, mußten wir nun wieder zurück nach Ladenburg, um im Konvoi mit ihnen zu starten. Witold war über diese Verzögerung leicht verdrossen.
    Beim Kofferpacken hatte ich Witolds ursprüngliche Rucksack-Liste nochmals eingehend studiert. Gegenstände wie Feldflasche, Fahrtenmesser, Hüttenschuhe und Trainingshosen fehlten völlig in meiner Aussteuer, waren aber nun wohl nicht mehr nötig. Auf alle Fälle hatte ich sowohl den Jogginganzug als auch den Seidenpyjama im Koffer. Ich hatte nicht gewagt, nach der Zimmerverteilung zu fragen. Aber bald erfuhr ich, daß man praktischerweise ein Doppelzimmer für Schröders, eins für Kitty und mich und ein Einzelzimmer für Witold bestellen wolle, falls mir das recht sei. Ich fand es taktlos zu sagen, daß ich auch lieber ein Einzelzimmer hätte, weil ich Kitty nicht kränken wollte.
    Am frühen Mittag fuhren wir los, am späten erreichten wir Wissembourg. Die Suche nach einer Bleibe begann.
    Witold hatte natürlich einen Hotelführer dabei, aber seine angekreuzten Quartiere waren bereits ausgebucht. Da meldete sich Ernst Schröder zu Wort, der eine Geheimadresse wußte, allerdings nicht in F r ankreich, sondern gleich an der Grenze auf der deutschen Seite. Dort kamen wir ohne weiteres unter; man konnte zu Fuß in einer Viertelstunde nach Wissembourg wandern und dort am Abend der französischen Küche huldigen.
    Ich packte den Koffer aus. Vom Fenster konnte ich direkt auf Weinberge schauen. Ein ganz leichter Regen hatte eingesetzt, aber es war für die Jahreszeit noch erstaunlich warm. Wir beschlossen, erst einmal Kaffee und frischen Apfelkuchen zu bestellen. Gutgelaunt wollten wir anschließend den Regen mißachten und, mit geeigneter Kleidung ausgerüstet, unsere Beine in Bewegung setzen.
    Ich nahm einen Schirm mit, Scarlett auch. Die anderen trugen ihre Regenjacken.
    Witold sammelte Walnüsse und Roßkastanien, von denen er großzügig einige an mich und Kitty verschenkte, obgleich sie auch uns ständig vor die Füße fielen. Scarlett lehnte die Gabe ab.
    »Männer sind und bleiben infantil«, vermerkte sie, »weil ich ihm verboten habe, Pfadfinder zu spielen, will er heute abend bestimmt zum Trost aus Kastanien und Streichhölzern Männchen basteln.«
    »Stimmt ganz genau«, pflichtete ihr Witold bei, »du bist doch die Klügste von allen.«
    Ich hielt die glatte, pralle Kastanie im Inneren der Jackentasche in meiner Hand und gedachte, sie zur ewigen Erinnerung aufzuheben.
    Witold machte den Stadtführer, als Französischlehrer mochte er schon mit so mancher Klasse hier gewesen sein. Er kannte sich aus, zeigte uns malerische Foto-Ausblicke entlang der Lauter, sprach über die Geschichte der Stadt inklusive sämtlicher Katastrophen und beendete den Rundgang mit der Besichtigung der Kirche Saint-Pierre-et-Saint-Paul.
    Wahrscheinlich hätte sein Programm noch stundenlang

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