Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)
angesteckt, ich hatte mich beim
Hasen angesteckt, aber wo hatte sich der Hase eigentlich angesteckt? Ich
verspürte Ekel, als ich begriff, dass auch ich betrogen wurde.
Die letzten Tage genoss ich in vollen Zügen, wusste ich doch
nicht, wann ich jemals wieder in den Urlaub fahren würde. Nach zahlreichen
Sonnenbädern und feucht-fröhlichen Nächten fasste ich den Entschluss, in meinem
Leben noch mehr zu verändern. Während ich im Flugzeug noch damit kämpfte, den
Abschied von Griechenlands Sonne zu überstehen, wusste ich, dass ich Sandra und
den Hasen – er wollte sie vom Flughafen abholen – heute zum allerletzten Mal
sehen würde.
Die Fabel vom Hahn
Ein Hahn stolziert auf seinem Bauernhof herum. Die Hennen
schauen vom Picken auf und hören auf zu gackern.
Bewundernd folgen sie ihm beim Flanieren.
Am anderen Ende des Hofes befindet sich ein kleiner See.
Ein wunderschöner Schwan zieht darauf seine Bahnen. Als
einziger schenkt er dem Hahn keine Beachtung.
Da plustert der Hahn sich auf, reckt sich in die Höhe und
lässt mehrmals sein lautes und einschüchterndes „KIKERIKI!“ vernehmen.
Der Schwan dreht gelassen seinen Hals, blickt den Hahn kurz
an und zieht dann weiter seine Kreise.
Wütend stakst der Hahn am Ufer auf und ab. Immer lauter
kräht er und plustert sein buntes, schillerndes Gefieder auf.
Die Hennen haben sich dicht um ihn geschart und blicken
bewundernd zu ihm auf, aber er würdigt sie keines Blickes.
„Hey, du, Schwan! Bist du taub oder blind? Wieso kommst du
nicht zu mir rüber?“
„Nein, danke,“ erwiderte der Schwan mit sanfter Stimme.
„Meine Farbe ist weiß und schlicht, und in der Ruhe liegen
Kraft und Stärke. Wer zu viel brüllt, hat wenig zu sagen.“
Sprach der Schwan und verschwand leise im Schilf.
Grau und Bunt
Blöd hörte sich schon der Wecker am Morgen an. Ich hatte ihn
auf Radio gestellt. Gerade fingen die Nachrichten an.
Ich quäle mich also aus dem Bett und schlurfe in die Küche,
wo Mama mir schon ein Müsli hingestellt hat. Natürlich mit H-Milch.
Der Tisch steht am Fenster. Während ich kaue, gucke ich mich
an der Betonwand des Hauses gegenüber fest. Mein Handy klingelt: Rita, meine
beste Freundin ist krank. Also darf ich auch noch alleine los. Mist! Ich
dusche, schlüpfe in Jeans und Top, schnappe mir eine Jacke vom Haken. Dem
Spiegel daneben schenke ich lieber keine Beachtung. Meine Haare führen heute
ein Eigenleben. Ich rufe Mama „Bis später!“, zu und weg bin ich.
Unterwegs merke ich, dass ich mein Schulbrot vergessen habe.
Egal! Ohne nachzudenken, wähle ich den Weg am Kanal. Ich sehe beim Gehen auf
meine grünen All Star. Sie sind das einzige Grün links vom Kanal. Ich blicke
nicht auf. Wenn ich das täte, würde ich unsere Wohnsiedlung sehen. Sie ist grau
und hoch. Selbst die winzigen Balkone sind grau, allerdings dunkelgrau.
Mama und ich leben allein hier. „Wenn man keinen Papa hat,
dann muss man so wohnen.“, hat Mama erklärt. Und das ist sicher wahr, denn wir
sind ganz viele hier in der Siedlung, ohne Papa, mit einer Mama. Manche müssen
sich die Mama sogar zu zweit teilen. Ein paar auch zu dritt. Dabei sehen die
Wohnungen alle gleich aus. Alle haben zwei Zimmer, ein Bad, eine Küche.
Ich gehöre also zu den Glücklicheren. Ich habe mein Zimmer
für mich. Aber heute kann ich mich an so was nicht erfreuen.
Dann sehe ich die Schule. Sie ist hellgrau. Am Schultor
lungern schon Arne, Hannes und Simon rum. Noch schnell eine rauchen. Noch
schnell warten, um jemanden wie mich zu mobben. Die Typen hier sind alle fies.
Wieso ist Rita nur krank? Ich ziehe den Kopf ein und gucke starr zu Boden. Nur
schnell vorbei. Die Schulglocke klingelt. Ein guter Grund mich zu beeilen. Die
Lehrerin ist auch krank. Was für ein Scheißtag. Was für ein Scheißleben.
Wir kriegen eine Vertretungslehrerin. Die ist neu. Die ist
jung. Die ist irgendwie cool. Sie sagt: „Jungs! Mädels! Hier ist es mir zu
grau. Nehmt eure Taschen und lasst uns ein bunteres Plätzchen zum Lernen
suchen!“ Das sind ganz neue Worte. Für alle von uns. Wir sind voll motiviert.
Das waren wir noch nie. Wozu auch?
Die Lehrerin wandert mit uns die Straße entlang, biegt links
ab, kurz darauf rechts. Wir alle im Entenmarsch hinterher. Dann biegt sie in
einen winzigen Sandweg ein. Wir hinterher. Und dann stehen wir plötzlich alle
auf einer großen Wiese. Es duftet. Und es blühen sogar kleine Blumen hier
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