Der Hase aus Amerika und andere Beziehungskisten (German Edition)
ihr sogar seine
Luftmatratze, da sie keine besitzt. Abends sitzen sie alle gemeinsam vor ihren
Zelten und essen, was die italienischen Mamas vor Aufbruch sorgsam vorbereitet
und verpackt hatten. Als die anderen längst in ihren Zelten schlafen, sitzt
Marie noch immer mit Roberto am Strand und unterhält sich mit ihm. Er arbeitet
für das Geschäft seiner Mutter. Sie verkauft Kosmetikartikel. Da sie aber eine
Verkäuferin eingestellt hat und Roberto nur dafür sorgen muss, dass immer
genügend Ware vorhanden ist, hat er viel Zeit und auch viel Geld.
Nach dem Wochenende am Meer weicht Roberto Marie nicht mehr
von der Seite. Er führt sie mehrmals in der Woche zum Essen aus, damit sie die
ganze Palette der, seiner Meinung nach, besten Küche der Welt kennenlerne. Er
macht mit ihr Ausflüge ans Meer, ohne die anderen, an weiter entfernte Küsten,
da seine Mutter diverse Ferienappartments an verschiedenen Orten besitzt. Marie
genießt es, sich ihre neue Heimat zeigen und erklären zu lassen.
Nach etwa drei Monaten steht Roberto eines Nachmittags vor
ihrer Tür und sagt, er habe eine Überraschung für sie. Marie, die gerade an
einer Übersetzung gearbeitet hat, packt Zettel, Stift und Wörterbücher weg,
zieht ihre Jacke an und eilt mit Roberto los. Wenn Roberto etwas vorhat, hat er
es gern, wenn es schnell losgeht. Das hat Marie schon gelernt. Sie wird ihre
Arbeit am späten Abend weitermachen, wenn Roberto schlafen geht. Schließlich
muss er ja morgens früh aufstehen, während Marie sich ihre Zeit frei einteilen
kann.
Roberto verrät nicht, wo er hinfährt. Sie fahren eine Weile
durch Mailand. Ein bisschen kennt Marie sich schon aus in der großen Stadt,
aber wo er sie nun hinfährt, da war sie bisher noch nicht gewesen.
Vor einem hohen Haus hält Roberto an und parkt seinen
Sportwagen. Er muss aufpassen, denn sein Auto liegt tief, während die
Bordsteinkanten in Italien recht hoch sind. Marie hofft, dass es gut geht, denn
wenn nicht, regt Roberto sich sicher auf. Er mag es nicht, wenn sein Wagen
einen Kratzer bekommt. Er hat zwar noch einen Zweiten, aber sein Sportwagen ist
ihm heilig. Marie sieht fragend zu Roberto. Der zeigt nur stumm auf das Haus
vor ihnen. Es ist ockergelb gestrichen. Hier und da blättert die Farbe ab. Die
Balkone sind mit verschnörkelten Eisengittern versehen. Über den Fenstern sind
grüne Vorhänge befestigt, die über die Balkongitter hängen. Sie sind aus dickem
Stoff, damit sie die Sonne vom Balkon und den Innenräumen abschirmen, erklärt
Roberto. Vor dem Haus befindet sich ein kleiner dreieckiger Platz, auf dem ein
paar Jungen Fußball spielen. Immer wenn der Ball auf ein Auto prallt, und das
passiert häufig, da der Platz eigentlich nicht groß genug ist, geht eine
Alarmanlage an. Niemand kümmert es.
Neben dem Hauseingang sieht Marie die Schaufenster eines
Tabakladens, daneben eine Bäckerei, gegenüber ein kleiner Tante Emma Laden.
Alles da, was man so braucht. Sie steigen aus. Roberto führt sie zur Eingangstür.
Das Treppenhaus ist hell gefliest, die Wände sind gelb gestrichen. Es riecht
nach Basilikum, Oregano und gekochten Tomaten. Ein winziger Fahrstuhl, ganz aus
dunklem, massiven Holz, fährt sie ganz nach oben in den 7. Stock. Vor der
linken Tür bleibt Roberto stehen, kramt nach dem Schlüssel und öffnet die Tür.
Erwartungsvoll sieht er Marie an. Sie macht einen Schritt hinein, und sieht
sich um.
Der Flur ist groß und mit beigefarbenen, marmorierten
Fliesen ausgelegt. Roberto legt eine Hand auf Maries Schulter und schiebt sie
durch die Räume. Die erste Tür führt in ein Badezimmer. Es ist länglich
geschnitten, mit einer Badewanne und sogar einem Bidet. Die Toilette befindet
sich ganz hinten am Fenster, und als Roberto es öffnet, sieht Marie direkt auf
einen großen, überdachten Balkon. Marie lässt den Blick in die Ferne schweifen.
Eine lang gezogene, saftig grün bewachsene Hügelkette tut sich vor ihren Augen
auf. Und ganz oben auf dem Berg steht groß und weiß eine Kirche. Marie sieht
Roberto an. Sie ist den Tränen nah, so schön findet sie den Ausblick.
Er führt sie weiter, zum nächsten Raum. Er ist groß mit
einer Kochnische im hinteren Teil. Auch durch das Küchenfenster erblickt Marie
die Kirche. Auf der anderen Seite des Flures befindet sich das Schlafzimmer,
wie Roberto ihr erklärt, daneben ein weiteres geräumiges Zimmer mit einem
zweiten Balkon. Von hier kann sie die Alpen sehen. Roberto sagt, das könne ihr
Arbeitszimmer
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