Der Hase mit den Bernsteinaugen
Händler. Da stehen die Schnellfotografen unter den roten Schirmen an der Brücke beim Goldenen Pavillon, daneben ein kicherndes Mädchen im pseudojapanischen Kostüm, weiß geschminkt mit Kamm im Haar.
Wie oft hält man Kabuki aus? Oder, noch schlimmer, drei Stunden No-Theater? Wie oft geht man in ein onsen, ein Thermalbad, bevor die Aussicht auf brusttiefe Entspannung im Warmwasserbecken zum Horror wird?
Man kann ins British Council gehen und sich die Vorträge von Gastautoren anhören, oder zu einer Keramikausstellung in den Kaufhäusern, oder man kann das Blumenstecken lernen, Ikebana. In dieser fremdländischen Umgebung eine Frau zu sein, bedeutet, sich des eigenen fragilen Status bewusst zu werden. Man sollte lernen, was En-right einen der »demütigend einfachen kunsthandwerklichen Kulte« nannte, die Teezeremonie zum Beispiel, die in Japan gerade wieder en vogue wird.
Denn darum geht es: dem echten Japan begegnen. »Ich muss versuchen, in dem Land etwas zu sehen, das ganz und unberührt ist«, schreibt ein verzweifelter Reisender nach einem Monat in Tokio im Jahr 1955. Dem Ganzen, Unberührten zu begegnen würde bedeuten, Tokio zu verlassen: Japan beginnt dort, wo die Geräusche der Stadt aufhören. Das Ideal wäre, dorthin zu gehen, wo noch kein Mensch aus dem Westen war. Authentische Erlebnisse zu finden wird zunehmend zu einem Wettkampf. Diese Empfindsamkeit im Vergleich mit anderen ist die Kunst, ihnen in Sachen Kultur immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Schreiben Sie Haikus? Zeichnen Sie mit Tusche? Töpfern Sie? Meditieren Sie? Trinken Sie freiwillig grünen Tee?
Das echte Japan zu finden hängt vom Reiseplan ab. Hat man vierzehn Tage zur Verfügung, bedeutet das Kyoto und einen Tagesausflug zu den Kormoranfischern, vielleicht einen Tagesausflug in ein Töpferdorf, eine ausgedehnte Teezeremonie. Ein Monat: ein Besuch in Kyushu im Süden. Ein Jahr: Man könnte ein Buch schreiben. Dutzende taten das. Japan, mein Gott, was für ein eigenartiges Land! Ein Land im Übergang. Verschwindende Traditionen, beständige Traditionen. Essenzielle Wahrheiten. Eine Saison in. Die Kurzsichtigkeit der Japaner. Liebe zum Detail. Geschicklichkeit. Selbstgenügsamkeit. Kindlichkeit. Undurchschaubarkeit.
Elizabeth Gray Vining, die vier Jahre lang den Kronprinzen unterrichtet und das Buch »Windows for the Crown Prince« geschrieben hatte, erwähnte in einer Fortsetzung die »vielen Bücher über Japan, verfasst von Amerikanern, die ihr Herz an die ehemaligen Feinde verloren haben«. Auch die Engländer schrieben Reiseberichte: William Empson, Sacheverell Sitwell, Bernard Leach, William Plomer. »It’s Better with Your Shoes Off« - Karikaturen über das wirkliche Leben in Japan; »The Japanese Are Like That«, »An Introduction to Japan«, »This Scorching Earth«, »A Potter in Japan«, »Four Gentlemen of Japan«. Eine Flut von Büchern mit auswechselbaren Titeln: »Behind the Fan«, »Behind the Screen«, »Behind the Mask«, »Bridge of the Brocade Sash«. Honor Tracys »Kakemono: A Sketch Book of Post-War Japan«, mit seiner Abneigung gegen »junge Männer mit klebrig pomadisiertem Haar und grell geschminkten Mädchen, die sich auf dem Tanzboden drehen, einen leicht debilen Ausdruck im Gesicht …« Enright bemerkte bitter, er hege den Ehrgeiz, zu der kleinen, auserwählten Gruppe von Menschen zu gehören, die in Japan gelebt hatten, ohne ein Buch darüber zu schreiben - und das in einem Vorwort zu seinem eigenen Buch zum Thema, »The World of Dew«.
Über Japan zu schreiben bedeutet, dass man eine instinktive Abneigung gegen (westlichen) Lippenstift erkennen lässt, der auf einer schönen (östlichen) Wange verschmiert ist: So entstellt die Modernisierung das Land! Oder man versucht es komisch zu sehen, wie die Sonderausgabe von Life über Japan vom 11. September 1964: Auf der Titelseite ist eine Geisha in voller Kriegsbemalung zu sehen, die einen Bowlingball wirft. Das frisch amerikanisierte Land schmeckt so fade wie pan, das teigige Weißbrot, das in Japan seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gebacken wird, oder dieser seifige Schmelzkäse, gelber als Ringelblumen. Das könnte man mit der Schärfe von japanischen Pickles vergleichen, Rettich, Wasabi in einem Sushi. Dabei spiegelt man die Ansicht der Reisenden von vor achtzig Jahren. Man stimmt ein in Lafcadio Hearns lyrisches Lamento.
In diesem Punkt aber war Iggie anders. Sicher, hin und wieder machte er eine schwarz lackierte Bento-Schachtel auf, Reis,
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