Der Hase mit den Bernsteinaugen
Handvoll Lackarbeiten auf einem weißen Tuch: Es war schwer, nicht einem Japan zu begegnen, das sich verkaufte. Alles war alt oder wurde als alt etikettiert. Man konnte Aschenbecher bekommen, Feuerzeuge oder Servietten mit Bildern von Geishas, dem Fudschijama oder Glyzinien. Japan war eine Reihe von Schnappschüssen, von Ansichtskarten in Brokatfarben, Kirschblüten so rosa wie Zuckerwatte. Madame Butterfly und Pinkerton, die Klischees überpurzelten sich. Aber man konnte ebenso gut »ein exotisches Relikt aus der Zeit der Daimyos« kaufen. Im Artikel »Yen für Kunst« in Time hieß es über die Brüder Hauge, die eine außerordentliche Sammlung japanischer Kunst zusammengetragen hatten: »Von den zahllosen GIs, die in Japan dienten, haben nur wenige sich nicht mit Souvenirs eingedeckt. Aber bloß eine Handvoll Amerikaner realisierte, welches Sammlerparadies ihnen offenstand … Durch den Wirbelwind der Inflation, der den Yen von einem Kurs von 15 bis zu 360 für einen Dollar trieb, hatten sie einen fliegenden Start. Während die Hauges eine papierene Yen-Ernte einstreiften, führten von den Nachkriegssteuern betroffene japanische Familien eine >Zwiebelexistenz<: Schicht für Schicht entledigten sie sich ihrer gehegten und gepflegten Kunstschätze, um den Kopf über Wasser zu halten.«
Zwiebelhäute, Bambussprossen. Bilder von Verletzlichkeit, Zartheit, Tränen. Es waren auch Bilder vom Entblättern. Eine Parallele zu den Geschichten, die Philippe Sichel und die Goncourts in Paris im ersten fieberhaften Rausch des Japonismus so begeistert immer wieder erzählt hatten: wie man alles, jeden kaufen konnte.
Iggie mochte ausgewandert sein, aber er war immer noch ein Ephrussi. Auch er begann zu sammeln. Auf seinen Ausflügen mit Jiro kaufte er chinesische Keramik - zwei Pferde mit gekrümmtem Rücken aus der Tang-Dynastie, seladongrüne Teller, auf denen Fische schwammen, blau-weißes Porzellan aus dem 15. Jahrhundert. Er kaufte blattgoldüberzogene japanische Wandschirme mit scharlachroten Pfingstrosen, Bilderrollen mit nebelverhangenen Landschaften, frühbuddhistische Skulpturen. Damals bekam man eine Ming-Schale für einen Karton Lucky Strikes, erzählte Iggie mir schuldbewusst. Er zeigte sie mir. Wenn man sachte daraufklopft, lässt sie einen reinen, hellen Ton hören. Unter einer milchigen Glasur sind blaue Pfingstrosen aufgemalt. Wer sie wohl verkaufen musste?
In diesen Besatzungsjahren wurden die Netsuke wieder »Sammlerstücke«. Der 1951 veröffentlichte Führer des Japanischen Reisebüros zum Thema Netsuke erwähnt »wertvolle Unterstützung durch Konteradmiral Beton W. Dekker, ehemaliger Kommandeur der US-Flotte in Yokosuka, Japan, und ein begeisterter Netsuke-Kenner«. Der dreißig Jahre lang lieferbare Führer teilte seine Ansicht über Netsuke auf die deutlichste Weise mit: »Die Japaner sind von Natur aus sehr geschickt mit ihren Fingern. Dieses Geschick mag mit ihrer Vorliebe für kleine Gegenstände zu tun haben, das sie entwickelten, weil sie in einem kleinen Inselstaat leben und sich nicht kontinental fühlen. Ihre Angewohnheit, mit Stäbchen zu essen, die sie von Kind an zu handhaben lernen, kann ebenfalls als einer der Gründe angesehen werden, warum sie so gewandt sind. Aus diesem speziellen Charakteristikum erklären sich die Vorzüge und Nachteile der japanischen Kunst. Diesem Volk fehlt die Fähigkeit, etwas in großem Maßstab, etwas Tiefgründiges und Substanzielles zu produzieren. Aber es zeigt seine Natur, indem es sein Werk mit feinem Geschick und penibler Sorgfalt ausführt.«
Die Art, wie über japanische Objekte gesprochen wurde, hatte sich in den achtzig Jahren, seit Charles sie in Paris gekauft hatte, nicht geändert. Netsuke sollten immer noch wegen der positiven Attribute geschätzt werden, die man frühreifen Kindern zuschreibt: geduldiges Zu-Ende-Bringen, Gewissenhaftigkeit.
Es ist bitter, mit einem Kind verglichen zu werden. Noch schmerzlicher war es, als es öffentlich durch General MacArthur geschah. Nachdem er von Präsident Truman wegen Insubordination in Sachen Koreakrieg entlassen worden war, verließ der General am 16. April 1951 Tokio auf dem Weg zum Flughafen Haneda, eskortiert von Polizisten auf Motorrädern. An der Strecke standen amerikanische Soldaten, japanische Polizisten und Bürger. Die Schulkinder hatten frei bekommen, um Spalier zu bilden; die Arbeitskräfte in den Postämtern, Krankenhäusern und Verwaltungseinrichtungen konnten ebenfalls teilnehmen. Die
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