Der Hauch von Skandal (German Edition)
Hütten am Strand, die solide aussahen und aus Stein gebaut waren, nicht aus Treibholz wie die Hütte des Fallenstellers in der vergangenen Nacht. Es gab eine Schmiede, ein paar Vorratsscheunen und ein lang gestrecktes flaches Gebäude, das wie eine Halle aussah. Auf einem kleinen Hügel stand ein großes Kreuz aus Holz.
„Die Pomoren sind sehr gläubige Menschen“, erklärte Alex. „Sie benutzen die Kreuze als Wegweiser für die Schifffahrt, aber auch als Andachtsort. Das Kloster Bellsund ist nur noch einen Tagesritt von hier entfernt, und es hat schon immer eine enge Verbindung zwischen dem Dorf und dem Kloster gegeben.“
Die Dorfbewohner kamen herbei, um sie zu begrüßen; Jäger in Lederwämsern, Frauen mit weißen Schürzen und Kinder, die sich hinter den Röcken ihrer Mütter versteckten.
„Mir war nicht bewusst, dass die Menschen hier das ganze Jahr über leben“, staunte Joanna. „In Merryns Buch stand, die Siedlungen würden vorwiegend zum Überwintern benutzt.“
„Also hast du es doch gelesen!“ Alex lächelte sie an. „Ich dachte, Bücher langweilen dich.“
„Ich habe ein paar Kapitel überflogen“, murmelte Joanna.
„Es sind die Norweger, die nur für die Jagd und zum Fallenstellen herkommen“, berichtete Alex. „Einige der Pomoren leben hier jedoch schon seit Jahren. Und wie du sehen kannst, haben sie ihre Familien mitgebracht.“
„Sie müssen sehr abgehärtet sein“, stellte Joanna fest.
Lottie hingegen sah sich mit gewohnter Missbilligung um. „Was für ein primitiver, schrecklicher Ort …“, begann sie, aber Joanna trat ihr energisch auf den Fuß.
„Was für ein reizendes Dorf“, sagte sie lächelnd zu Karl. „Wir sind sehr dankbar, hier sein zu dürfen.“
„Sie halten heute Abend uns zu Ehren ein Fest ab“, meinte Alex. Er nickte in Owen Purchases Richtung, der gerade sein Gewehr schulterte und mit ein paar Jägern plauderte. „Purchase will ein paar Schneehühner für uns schießen.“
„Schneehühner?“ Lottie rümpfte die Nase. „Sind das nicht Vögel? Sollen wir etwa Knochen abnagen? Wir befinden uns doch nicht im Mittelalter.“
„Leider nicht“, raunte Alex Joanna zu. „Denn dann könnten wir sie als Hexe auf den Scheiterhaufen schicken.“ Er hob die Stimme. „Ich bin sicher, nach einem heißen Bad werden Sie sich gleich besser fühlen, Mrs Cummings.“ Er deutete auf die Frauen, die sich um sie scharten. „Sie warten darauf, Sie zu den Schwitzbädern zu bringen, damit Sie sich waschen und entspannen können.“
„Ein Schwitzbad!“, rief Lottie aus. „Wie abscheulich! Sie werden mich nicht dazu bringen zu schwitzen.“ Sie zerrte den Rock ihres Kleides aus den Fingern eines kleinen Kindes, das prompt zu weinen anfing.
Alex drehte sich zu Joanna um. „Dann sieht es so aus, als blieben wir beide unter uns.“
Der Gedanke an ein Bad, schwitzend oder nicht, erschien Joanna äußerst verlockend. Der Gedanke an ein Bad zusammen mit Alex war jedoch eher beunruhigend. Sie sah ihn vorsichtig an. „Du willst mich begleiten?“
Alex’ Miene war vollkommen ausdruckslos. „Das ist hier im hohen Norden so Brauch.“
„Ach ja?“, entgegnete sie herausfordernd.
Er nahm ihre Hand. „Es ist ganz und gar schicklich für ein Ehepaar, ein gemeinsames Bad zu nehmen, Joanna. Ich versichere dir, ich würde nichts tun, was die empfindlichen Gefühle unserer Gastgeber verletzen könnte. Und abgesehen davon …“, er senkte die Stimme, „… sind wir uns in den letzten Tagen mehr als nahe gekommen. Du brauchst keine Scheu mehr zu haben.“
Joannas Wangen glühten. „Ich bin nicht scheu!“
„Doch, das bist du.“ Alex lächelte. „Und du warst es von Anfang an.“ Er berührte ihre Wange. „Ich mag es sogar, aber es ist wirklich nicht mehr nötig.“
Joanna schloss einen Moment lang die Augen. Sein Blick wühlte sie innerlich auf, aber gleichzeitig fühlte sie sich seltsam in der Schwebe. Die Gefühle, die Alex in ihr weckte, schienen zu vielschichtig und kompliziert. Anfangs war es nur darum gegangen, Nina abzuholen, doch als Joanna angefangen hatte sich in ihn zu verlieben, war alles anders geworden. Sie erinnerte sich, einmal zu Merryn gesagt zu haben, dass es das Schlimmste war, sich in einen Abenteurer zu verlieben, denn denen wären Reisen und Expeditionen wichtiger als jede Frau. Sie erschauerte, als sie an diese Worte zurückdachte.
Ihre Gastgeber halfen ihnen, ihr Gepäck abzuladen, und brachten es zu einer der Wohnhütten. Die Frauen
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