Der Hauch von Skandal (German Edition)
gewesen war, die Pflichten einer Ehefrau zu erfüllen.
Ihre Periode hatte immer regelmäßig eingesetzt, und anfangs hatte sie das mit Zuversicht erfüllt. Sie hatte geglaubt, eine Schwangerschaft wäre nur eine Frage der Zeit. Nach einer Weile jedoch hatte sich das als Trugschluss erwiesen. Ihre körperliche Beziehung zu David, ursprünglich für sie nicht mehr als eine leichte Enttäuschung, war mehr und mehr zur unangenehmen Pflicht geworden. Und dann zu einem Akt, den sie fürchtete, weil er jegliche Zuneigung vermissen ließ. Sie wusste, dass viele Frauen die erzwungene körperliche Intimität in der Ehe nicht mochten, aber sie hatte hartnäckig weiter auf mehr Vergnügen gehofft, als ihre belanglosen Zusammenkünfte im Bett für sie bedeutet hatten. Doch es hatte nicht sollen sein. Ein Kind hätte sie darüber hinwegtrösten können, doch auch diese Hoffnung hatte sich nicht erfüllen sollen.
Ihre Tante, in den letzten Lebensjahren abergläubisch wie eine Hexe, hatte sie mit Tränken, Salben und Ratschlägen versorgt, die ziemlich schockierend und unpassend für die Frau eines Vikars gewesen waren. Sie hatte ihrer Nichte erklärt, dass eine Frau sich im Ehebett zu unterwerfen hätte, und Joanna hatte versucht, ihre Ratschläge zu befolgen. Weder die Tränke noch die Ratschläge hatten geholfen, den ersehnten Sprössling zu produzieren. Und dann war David eines Nachts, getrieben von Zorn und Unzufriedenheit, in ihr Bett gekommen; hatte sie wieder einmal ohne Zärtlichkeit und Rücksicht genommen und sie hinterher brutal geschlagen. Da war aus ihren Schuldgefühlen ihm gegenüber endgültig Hass geworden.
Joanna schlang fest die Arme um sich. Schreckliche Bilder, grauenvolle Erinnerungen überschlugen sich in ihrem Kopf und machten sie blind für das Blau des Himmels und taub für den Gesang der Vögel. Der durchbohrende Schmerz, Davids wütende Schreie, die Gerte, mit der er wieder und wieder auf ihren nackten Körper einhieb, unbarmherzig, gnadenlos … Ihr war klar gewesen, dass David damit seine Macht über sie hatte demonstrieren wollen; er war der Herr und Meister im Haus, Herrscher über seine Frau, deren Körper und deren Geist gewesen. Er hatte gedacht, jede Facette ihres Lebens unter Kontrolle zu haben, doch da hatte er sich geirrt. Seine Bösartigkeit hatte aus seiner fügsamen Braut vom Lande eine vollkommen andere Frau gemacht. O ja, wie sehr sie sich verändert hatte!
Nach seiner letzten Attacke hatte Joannas Periode gänzlich ausgesetzt. Im ersten Moment hatte sie sich gefragt, ob sie nun doch endlich schwanger sei. Sie hatte sich verzweifelt nach einem Kind gesehnt, mit jeder Faser ihres Herzens, und sich insgeheim an diese Hoffnung geklammert. Doch gleichzeitig hatte ihr weibliches Gespür ihr verraten, dass es kein Kind geben würde. Lange hatte sie versucht, das hartnäckige Gefühl zu ignorieren, doch mit der Zeit war es immer stärker geworden. Schließlich hatte sie zu glauben begonnen, dass ihr Hass auf David ein Gift war, das jede Chance auf ein Kind zunichtegemacht hatte. Genauso abergläubisch wie ihre Tante, hatte sie gedacht, sie hätte das Kind durch ihren Hass verwünscht und somit jegliche Hoffnung auf Nachkommen zerstört. Als ein paar Monate später ihre Regel wieder eingesetzt hatte, fast so, als wäre nichts gewesen, da hatte sie sich leer und um alles beraubt gefühlt, genauso unfruchtbar, wie David es ihr zum Vorwurf gemacht hatte. Die Ärzte hatten die Köpfe geschüttelt und gemeint, ihre Unfruchtbarkeit sei nicht erwiesen, doch Joanna hatte es besser gewusst.
Sie schlug die Augen auf. Der wunderbar klare blaue Himmel rückte wieder in ihr Blickfeld. Sie spürte die leichte Brise, hörte die Stimmen um sich herum und sah die vielen bunten Farben des Frühlings. Sie atmete tief ein.
Sie hatte sich eingeredet, es spiele für sie keine Rolle, dass sie für immer kinderlos bleiben würde; Davids Strohwitwe, allein gelassen, während er die Welt umsegelte. Sie hatte sich ein eigenes Leben in der Londoner Gesellschaft aufgebaut. Sie liebte ihr schönes, stilvolles Dasein in ihrem schönen, stilvollen Haus. Sie hatte ihre Arbeit, sie hatte ihre Freunde. Und sie hatte sich gesagt, dass das alles wäre, was sie sich wünschte.
Sie hatte gelogen.
David hatte gewusst, dass sie sich selbst und alle anderen belogen hatte. Diese Lüge hatte er schmerzhaft in seinem Schreiben aufgedeckt:
Ich weiß, Joanna wird die Einschränkungen hassen, die ich ihr damit auferlege. Ihre
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