Der Hauch von Skandal (German Edition)
Indem er Joanna seinen Namen und ein Dach über dem Kopf gab, schützte er sie nicht nur vor Hagan und dem Ausschluss aus der Gesellschaft. Er sorgte auch dafür, dass Nina gut umsorgt wurde und materiell abgesichert war. Er hatte dann wesentlich mehr Einfluss auf Ninas Zukunft, als wenn sie bei Joanna leben würde und er nur der Zahlmeister wäre. Außerdem hätte er gleichzeitig Wares Auftrag ausgeführt. Joanna konnte dem Kind die familiäre Geborgenheit schenken, zu der er so offenkundig nicht fähig war, und obendrein noch Chessie unter ihre Fittiche nehmen. Das Beste aber war – er würde frei sein. Dann konnte er gehen, wohin er wollte, um seine Träume zu verwirklichen. Ja, es schien die ideale Lösung zu sein. Sicher, er hatte keine weiteren Verpflichtungen übernehmen wollen und hätte sich diese Belastung lieber erspart. Aber er musste ohnehin schon für Chessie sorgen, und er hatte auch nicht vor, Nina im Stich zu lassen. Er konnte es einfach nicht, das verbot ihm sein Ehrgefühl.
Und dann, wie von ganz weit her, hörte er wieder Devlins geflüsterte Worte, die er verdrängt hatte, seit er nach London zurückgekehrt war:
„Balvenie braucht einen Erben …“
Er hatte dieses Flüstern und auch die Notwendigkeit dahinter ignoriert, weil die entsetzlichen Schuldgefühle wegen Amelias Tod es ihm nicht erlaubten, einen anderen Menschen an ihre Stelle zu setzen.
Er sah Joanna an. Sie war sehr blass und wirkte nervös. Er musste an David Wares Testamentsnachtrag denken; an die spöttischen Worte, die erkennen ließen, wie sehr Joanna sich ein Kind wünschte. Aus dieser beinahe verzweifelten Sehnsucht war auch ihre Entschlossenheit erwachsen, Nina zu sich zu holen. Aber gab es irgendeinen Grund, warum sie kein eigenes Kind haben sollte? Es stimmte, in den neun Jahren ihrer Ehe hatte sie Ware keinen Nachkommen geschenkt, doch das war wahrscheinlich nur Zufall. Sie mochte glauben, sie hätte ihm nur wenig zu bieten, tatsächlich jedoch konnte sie ihm eventuell sehr viel geben. Einen Erben für Balvenie … Eine weitere Verpflichtung erfüllt, eine weitere Verantwortung wahrgenommen. Das wäre geradezu perfekt. Er würde Joanna aus vollkommen praktischen Gründen heiraten, und das würden sie beide verstehen. Er begehrte sie, aber er würde sie niemals lieben, also beging er auch keinen Verrat an Amelia. Er würde sie durch niemanden ersetzen.
Ihre Blicke trafen sich, und er stellte betroffen fest, dass sie immer noch nervös war. „Sie haben Angst“, bemerkte er, als er sah, wie ihre Hände zitterten und sie die Finger krampfhaft ineinander verschränkte.
„Natürlich habe ich Angst! Ich habe mir geschworen, nie wieder zu heiraten. Es ist kein Geheimnis, dass meine Ehe mit David unglücklich war. Und ich will keinen weiteren Abenteurer, der mein Leben auf den Kopf stellt, mir alles verspricht und dann verschwindet und mich mit leeren Händen zurücklässt!“ Sie klang verzweifelt.
„Zumindest würden wir dieses Mal beide die Bedingungen unserer Abmachung kennen und uns daran halten“, gab Alex rau zurück. Zum ersten Mal hatte Joanna ihm einen echten Einblick in ihre Beziehung zu Ware gewährt, und er wusste, dass sie das unbewusst getan hatte, aus der Anspannung heraus.
„Ja.“ Sie seufzte. „Ich bin nicht mehr so jung und naiv wie damals, als ich David heiratete. Daher bitte ich Sie um nichts weiter als um Ihren Namen und ein Zuhause.“ Sie straffte sich. „Was sagen Sie dazu?“
„Nein. Ich möchte keine Haushälterin oder ein Kindermädchen.“
Sie hob das Kinn. „Man sagte mir, sie wären nicht so teuer wie eine Ehefrau.“
„Mag sein.“ Er legte die Hände auf ihre Schultern und spürte die Wärme ihrer Haut durch den dünnen Stoff ihres Kleides. Sein Verlangen nach ihr loderte wieder auf. „Ich möchte keine Ehe, die nur auf dem Papier besteht“, sagte er. Er dachte an Balvenie und daran, dass er einen Erben brauchte. „Sie sind gekommen, um mich zu verführen“, fügte er hinzu. „Also tun Sie es!“
Joanna verschlug es den Atem. Gute Absichten waren eine Sache, wenigstens in der Theorie. Prüfend betrachtete sie sein ernstes, dunkles Gesicht. Ihn verführen? Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn er so unnahbar aussah. Im Grunde war es von Anfang an unmöglich gewesen, hoffnungslos, völlig irrsinnig von ihr zu glauben, sie könnte es tatsächlich tun. Ihr Selbstbewusstsein war von Anfang an beklagenswert gering gewesen, verborgen hinter der verlockenden Fassade des
Weitere Kostenlose Bücher