Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
Vom Netzwerk:
richtiger Radfahrer, der! Nach unten tritt er – nach oben macht er ’n Puckel.
    EINE FRAU
Die haben ja Zeit.
    DER LESER
Ick sage, det is unsere Zeit, wat die vertrödeln, und unser Jeld is et, wat se vafressen! Mir machense arm mit ihre unjebührliche Schikanen. Ick heiße Klawonn und bin Budiker, und damit hab ick mir ehrlich hochjearbeitet, und nu machense mir die Jeschichten wegen de Konzession, warum? Det weiß man schon. Aber ick sage: denken kann ick, wat ick will, deshalb verlange ick trotzdem meine staatsbürgerliche Pflicht, Recht wollt ick sagen – Verschluckt sich, hustet.
    POLIZIST
kommt heraus Ruhe hier! Das stört ja drinnen!! Er reißt plötzlich die Knochen zusammen und schaut mit starrem Blick den Gang aufwärts.
    EIN LEUTNANT MIT ADJUTANTENSCHÄRPE
kommt raschen Schrittes Zimmer neun?
    POLIZIST
stramm Jawohl, Herr Leutnant!
    LEUTNANT
Machense mal den Laden zu, der Ort kriegt Einquartierung. Geht ins Zimmer, der Polizist folgt dienstbeflissen, schließt die Tür.
    DER LESER
Na, jetzt kenn wa einpacken. Nu is aus. Fürs Militär, da hamse nemlich Zeit, da hat ’n Staatsbürjer keine Existenz gegen. Wenn da son flotter Leutnant kommt – äh äh –
    EIN DICKER MANN,
der bisher immer gradeaus gesehen hat, springt auf Wat, Sie, derse nich mal de netije Brustweite haben, wollen hier wat gegens preißische Militär sagen? Sie pfeifen ja ausm letzten Loch, Sie oller Piepfritze Sie!
    DER LESER
Will ick ja gar nich! Ick will nur meine staatsbürgerliche –
    DER POLIZIST
öffnet die Tür. Alle verstummen, schauen hin. Der Polizist hängt schweigend ein Schild an die Tür: »Heute geschlossen«. Mißt die Wartenden mit bedeutungsvollem Blick, Kopfbewegung nach dem Ausgang.
    VOIGT
im Aufschrei Ick muß aber rin! Ick muß – Sonst is ja zu spät!!
    POLIZIST
ins Zimmer zurück, schließt hart die Tür hinter sich.
    VOIGT
sinkt auf die Bank.
    DER LESER
während die andern gehen Det jebense man auf. Heit kommense da nich mehr rin. Denn kennense gleich durchsitzen bis morjn frih. Er geht.
    VOIGT
bleibt allein. Sitzt mit gebeugtem Rücken, wie erschlagen, unbeweglich. Nach kurzer Zeit hört man von drinnen, anschwellend …
    DIE STIMME DES OFFIZIERS
… kann ich keine Rücksicht nehmen! Befehl is Befehl, darnach habense sich zu richten!! Die Stimme schwillt wieder ab.
    VOIGT
hebt den Kopf, lauscht – dann steht er auf, geht auf den Zehenspitzen an die Tür – schaut durchs Schlüsselloch.
Dunkel.
    Zwölfte Szene
    Personen: Das kranke Mädchen, Wilhelm Voigt
    Kammer mit Bett, Fenster zum Hof, Tür zum Gang. Auf einem Stuhl neben dem Bett sitzt Voigt. Das Bett ist so gestellt, daß man die darin liegende Gestalt kaum sehen kann – nur ihre Hand, die Voigt in der seinen hält. Überm Bett an der Wand aus Zeitschriften ausgeschnittene Farbdrucke, mit Reißnägeln befestigt. Vom Hof herauf hört man eine Männer- und eine Frauenstimme zweistimmig ein larmoyantes Lied vortragen. Mandolinenbegleitung.
    DAS MÄDCHEN
Onkel Willem, ich hör doch was, was isn das?
    VOIGT
Det sind de Hofsänger. Auch Hofraben jenannt. Die singen bei Hof, weißte, und denn wirft der Kaiser ’n Groschen runter, damit se wieder aufhören.
    DAS MÄDCHEN
Du, ick hab auch ’n Groschen, er liecht auf mein Waschtisch unter der Zahnpulverschachtel. Wirf’n runter!
    VOIGT
Wenn’s dir Spaß macht –
    DAS MÄDCHEN
Wirf’n runter!
    VOIGT
holt den Groschen, geht zum Fenster, öffnet.
Man hört die Stimmen der Hofsänger deutlicher
»Drum sag ich’s noch einmal:
Schön ist die Jugendzeit,
Schön ist die Juu-uugend,
Sie kommt nicht mehr!«
    VOIGT
Da is ne olle Zeitung, da wer ick’s reinwickeln. So – Er wirft.
    DAS MÄDCHEN
sich aufrichtend Hamse’s? Hamse’s jefangen?!
    VOIGT
Bumms! Grade aufn Hartmann! Na, det gibt ja keen Loch in Kopp.
    DAS MÄDCHEN
lacht, hustet.
    VOIGT
fährt herum Willste dir zudecken, willste dir niederlegen, du kleene Krotte, nachher wirste nich jesund. Ist hingelaufen, deckt sie zu.Von unten hört man die Stimme des Hofsängers, der eine Ansprache hält.
    VOIGT
rasch zum Fenster, schließt es.
    DAS MÄDCHEN
Warum machste denn zu, da kann man ja nichts hören.
    VOIGT
Jetzt singt er ja gar nich, jetzt klönt er nur. Det kann ick hier oben auch sagen. Stellt sich in Positur »Hochvaehrte Damen und Herrn – wir, die wir auf Jesanges Flügeln durch die Lande ziehn – wir sind den Vögeln des Himmels zu vajleichen, von denen schon in de Bibel steht: sie säen nich, sie ernten nich, aber ne trockene

Weitere Kostenlose Bücher