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Der Hauptmann von Koepenick

Der Hauptmann von Koepenick

Titel: Der Hauptmann von Koepenick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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Matratze ein Buch hervor Da bin ich eigentlich schon zu alt für. Aber det les ich so gerne, det kann ick immer wieder hören. Frau Hoprecht lacht mir aus, wenn se’s findet. Du bist doch keen Kind mehr, sagtse. Da hab ickn Kritzer mitn Fingernagel jemacht, wo ick zuletzt jestanden habe. In de ›Jeschichte von den Bremer Stadtmusikanten‹.
    VOIGT
Zeich mal – Grimms Märchen. Setzt seine Brille auf.
    DAS MÄDCHEN
Da bin ick eijentlich schon zu alt für.
    VOIGT
Det macht nichts. Ick les det auch sehr gerne, und ick bin ja nu ziemlich ausjewachsen, nich? Es schellt.
    DAS MÄDCHEN
fährt hoch Nich wechjehn!! Bitte!!
    VOIGT
Na, Kind, ick muß doch, wenn et schellt. Et könnt ja wat sein.
    DAS MÄDCHEN
Vielleicht hat sich einer in de Etage jeirrt. Es kommt doch jetzt keiner.
    VOIGT
Ick bin ja gleich wieder da, Kind.
    DAS MÄDCHEN
klammert sich an ihn Et is ja gar nichts. Der is schon wieder wech! Es schellt wieder.
    VOIGT
Siehste? Ick muß mal sehn, ick mach janz rasch mach ick.
    DAS MÄDCHEN
Aber du läßt de Tür offen, nich? Und machst det Licht an – bitte! Es wird ja schon duster draußen – un denn wird det Fenster so blank, so weiß – wie ’n Auge –
    VOIGT
zündet rasch die Gaslampe an und zieht den Vorhang vors Fenster. Es schellt heftig So. Is jut so? Nu muß ick ma kucken.
    DAS MÄDCHEN
Aber de Tür offenlassen, bitte!!
    VOIGT
Jewiß doch. Da kannste mir hören, bis an de Flurtür. Geht, läßt die Tür offen.
    VOIGTS STIMME
Wer ist denn da?
    FREMDE STIMME
draußen Wohnt hier der polizeibeaufsichtigte Schuster Wilhelm Voigt?
    VOIGT
Ja. Wartense, ick mach uff. Ick bin et selber.
    FREMDE STIMME
Unterschreibense mal. Ich hab ne Zustellung vom Revier. Es bleibt einen Augenblick still. Die Hofmusik hört auf.
    VOIGT
kommt zurück. Er hält ein großes Kuvert mit Amtssiegel noch uneröffnet in der Hand.
    DAS MÄDCHEN
ganz ruhig Hast ’n Brief jekriegt, Onkel Willem?
    VOIGT
Nee – det is nur ne Schreiberei. Er steckt das Kuvert ein.
    DAS MÄDCHEN
Willste nich lesen?
    VOIGT
Det eilt nich. Det is langweilig. Ick les dir lieber vor. Setzt sich, nimmt das Buch Also da weiter, wo de jestanden bist. »Wie kann man da lustig sein, wenn’s einem an den Kragen geht, antwortete die Katze. Weil ich nun zu Jahren komme, meine Zähne stumpf werden und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne, als den ganzen Tag nach Mäusen herumzujagen, wollen sie mich ersäufen! Ich hab mich zwar noch fortgemacht, aber nun ist guter Rat teuer. Wo soll ich denn hin? – Komm mit uns, sagte der Hahn – etwas Besseres als den Tod werden wir überall finden –« Er stockt, schaut das Mädchen an Na, Kind? Wat is denn? – Schläfste? Er beugt sich über sie, sie atmet tief.
    VOIGT
legt das Buch auf seine Knie – holt mit rascher Bewegung das Kuvert aus seiner Tasche, zögert einen Moment, dann bricht er es auf, liest. Gleichmäßig mit halblauter Stimme »Ausweisung aus den Bezirken Rixdorf, Reinickendorf, Neukölln, Groß-Lichterfelde – Sie haben sich – binnen achtundvierzig Stunden – Liest stumm weiter, dann wieder halblaut – im Nichteinhaltungsfalle erfolgt Abfuhr per Schub, im Wiederbetretungsfalle Freiheitsstrafe bis zu – Verstummt.
    DAS MÄDCHEN
nach einer Pause, plötzlich Onkel Willem – du liest ja gar nich.
    VOIGT
nimmt das Buch auf »Komm mit, sagte der Hahn – etwas Besseres als den Tod werden wir überall finden.« Dunkel.
    Dreizehnte Szene
    Personen: Adolf Wormser, Willy Wormser, Auguste Victoria Wormser, Rittmeister v.Schleinitz, Major Keßler und Frau, Assessor Trumpp, Herren, Damen, Kellner
    Eine erhöhte Ehrenloge im großen Festsaal bei Dressel. Strahlende Beleuchtung, elegante Dekoration, alles in Weiß und Silber, künstliche Blumen, Spiegel. Der Saal ist seitlich, tiefer gelegen zu denken.
    In der Loge ein Tisch mit Sektgläsern, Flaschen in Kühlem, Desserttellern, Obst- und Kompottschalen, Aschenbechern und Likörgläsern, auch Knallbonbons, Kotillonscherzen und Blumen reichlich bedeckt. Am Tisch Herr Wormser, Willy Wormser, Herr und Frau Major Keßler, Assessor Trumpp. Wormser ist im Frack, dessen Hemdbrust bereits von Anstrengungen aller Art, Essen, Lachen, Reden, Schwitzen, stark angeknittert ist. Willy trägt Husarenuniform im ele-gantesten Offiziersschnitt, er ist aber nur Gefreiter und macht eine recht klägliche Figur. Herr und Frau Major Keßler: älteres gut situiertes Ehepaar, er pensioniert, in Zivil, sehr bequem, sie etwas auffällig tief dekolletiert. Trumpp:

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