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Der Hausflug

Titel: Der Hausflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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sich an. Nicht verzweifeln! Er versuchte, sich hinzusetzen, biß die Zähne zusammen, schaffte es, sich auf die Seite zu drehen, aufzurichten, mit dem Rücken an die Wand zu rutschen, dabei erkannte er, daß es das Licht einer Laterne war, das durch die Ritzen fiel.
    „Xindy wird dich hier herausholen“, sagte er. Auch sprechen tat weh. Aber wie sollte Xindy ihn finden? Er konnte ihm kein Zeichen geben, wo er steckte. Der Keller war leer, nicht einmal ein Hocker, auf den er hätte klettern können, um die Luke einzuschlagen.
    Wenn Xindy ihn gar nicht erst suchte? Er hatte doch gesagt, er würde sich nie jemandem zeigen – und konnte er es überhaupt riskieren? Würden die Soldaten ihn nicht über den Haufen schießen? Gegen die vielen Soldaten hier kam sicher auch ein Chlmianer nicht an; irgendwann würde einer in Xindys Rücken auftauchen und ihn erschießen – und genau das würde Xindy sich ausrechnen! Wenn schon der zwölfjährige Jonas Breesemann auf den Gedanken kam, dann bestimmt ebenso ein ausgewachsener Chlmianer.
    Ein schrecklicher Gedanke durchfuhr Jonas: Wenn Xindy sich längst davongemacht hatte? Das Durcheinander nach seiner Verhaftung ausgenutzt, das Quecksilber ins Haus geschafft und auf und davon?
    Verzeih mir, Xindy, dachte er, bitte verzeih mir meine Gedanken, es war nur die Verzweiflung! Ob Xindy seine Gedanken auch aus dieser Entfernung mithören konnte? Hoffentlich.
    Hilf mir, dachte Jonas. Bitte, hol mich hier heraus. Ich sitze in einem Keller, verstehst du? In einem Raum unter einem Haus. Unter dem Haus – er überlegte, wie es ausgesehen hatte. Wenigstens an eine Besonderheit mußte er sich erinnern, damit Xindy ihn finden konnte. Ein erleuchtetes Haus, dachte er. Und da waren zwei Lampen neben dem Eingang, zwei Wandlaternen. Und ein paar Stufen.
    Wenn er nun gar nicht im Keller dieses Hauses steckte? Vielleicht unter einem ganz anderen Haus, einem der vielen Schuppen oder Baracken? Oder gar nicht mehr im Bergwerk, sondern in einem Gefängnis in der Stadt? Ein Gedanke schrecklicher als der andere. Vielleicht war Xindy längst tot.
    Oder auf dem Weg zu seinem Raumschiff, weil er die Suche aufgegeben hatte.
    Dann konnte er hier verschimmeln. El Jefe würde ihn nicht laufenlassen, bevor er nicht wußte, wie er in das Bergwerk gekommen war. Wo ein Junge hereinkam, konnten doch auch die Streikenden hereinkommen, würde der denken. Und er konnte nie in seinem Leben erklären, wie er hierhergekommen war. Ohne Ausweis, ohne Geld, ohne ein Wort spanisch. Tiefe Verzweiflung erfaßte Jonas. Nie würde er wieder nach Hause kommen, niemals Vater wiedersehen.
    Er rief sich zur Ordnung. Jammern half nicht. Er hielt den Atem an und lauschte. Absolut nichts zu hören. Rundum nur Stille, beängstigende, dröhnende Stille. Jonas erschrak. Vielleicht war er taub geworden von den Schlägen auf seine Ohren? Was wußte er schon, wie solche Folterschläge wirkten. Und was El Jefe noch mit ihm anstellen konnte.
    Es gab entsetzliche Berichte über die Folterkammern, in denen Menschen gequält worden waren, auch heute noch gequält wurden, um etwas zu verraten. Wie schlimm auch immer El Jefe ihn behandeln mochte, er würde Xindy nicht verraten. Kein Wort sollte über seine Lippen kommen. Er würde sein Leben für Xindy geben, so, wie dessen Kameraden. Ihr Opfer sollte nicht umsonst gewesen sein. Xindy mußte zum Chlm zurückkehren. Und bestimmt würde er dort von ihm berichten, von seinem Freund, dem kleinen Menschenjungen.
    Aber er konnte Xindy getrost verraten, niemand würde die Wahrheit glauben! Jonas wurde leicht ums Herz. Er mußte nicht lügen, nichts verheimlichen, er konnte jedem die Wahrheit laut ins Gesicht schreien.
    Ich werde ihnen die ganze Geschichte erzählen, dachte er. Bestimmt halten sie mich dann für verrückt und lassen mich laufen. Und dann? Wie kam er wieder nach Hause?
    Kommt Zeit, kommt Rat, sagte er sich. Erst einmal mußte er aus diesem Keller heraus. Er zermarterte sein Gehirn. Endlich fiel ihm ein, wie es gelingen konnte. Er begann sogar vergnügt zu pfeifen. Mann, Breesemann, wenn das klappt! Und noch etwas stimmte ihn optimistisch: Er war nicht taub. Er hörte deutlich das Echo seiner Pfiffe.
    Jonas rappelte sich auf, schleppte sich, immer mit der Hand an der Wand entlangtastend, zur Tür, wummerte mit der Faust gegen das Holz, wie weh es auch tat.
    „Ramirez!“ schrie er. Immer wieder. So laut er konnte. „Ramirez!“
    Endlich ging die Tür auf. Ramirez stand vor ihm.
    „Was

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