Der Hausflug
wir?“
„Donnerstag.“
„Und – waren wir in Spanien?“
„Ja. Es war schrecklich, nicht wahr?“
„Ach, wenn du wüßtest…“
„Ich weiß“, sagte Xindy, „ich weiß alles. Als du zusammengebrochen warst und nicht wieder zu dir kamst, habe ich deine Erinnerungen abgerufen; ich mußte doch wissen, was mit dir geschehen war, wenn ich dir helfen wollte.“
„Es ist also nicht nur ein böser Traum gewesen?“
„Nein. Ich habe überlegt, ob ich es aus deinem Gedächtnis löschen soll, aber du hast mir einmal erklärt, daß du dich an alles erinnern willst, an jede Minute – vielleicht soll ich das hier doch löschen?“
„Nein“, sagte Jonas. Er gähnte herzhaft, reckte sich, dann erschrak er. „Dann kennst du jetzt alle meine Gedanken, auch die aus dem Keller?“
„Ja, warum?“
„Entschuldige bitte, daß ich dich verdächtigt habe, mich einfach sitzenzulassen.“ Er schwieg betroffen, merkte, wie seine Ohren rot wurden.
„Vergeben und vergessen, wie ihr Menschen sagt. Du hattest Angst, Todesangst, da ist es nur zu verständlich. Nein, Jonas, du hast dich erstaunlich mutig benommen für einen Jungen; und wie du den Ausweg aus dieser aussichtslosen Situation gefunden hast, meine Hochachtung! Meint ihr so etwas, wenn ihr von einem Helden sprecht?“
„Nee, laß mal“, wehrte Jonas ab, „ein Held bin ich nun wirklich nicht, dazu gehört mehr.“
„Ach so. Sicher hat es der Computer nicht gut übersetzt. Wenn du dich zu mir in die Tür setzt, könnte ich wieder deine Gedanken lesen.“
„Später“, sagte Jonas. „Ich finde es ganz schön, mal nachdenken zu können, ohne daß du gleich alles mitbekommst. Sage mal, warum bist du erst so spät gekommen, um mich herauszuhauen?“
„Ich wußte nicht, was mit dir geschehen war“, sagte Xindy. „Du warst plötzlich verschwunden. Weißt du, das Suchgerät spielte verrückt, wahrscheinlich hatte ich es zu empfindlich eingestellt. Und nun, direkt neben dem Quecksilber – ich hatte Angst, daß der Bordcomputer auch noch durchdrehen würde. Ich mußte das erst in Ordnung bringen, und als ich dann wieder hinaussah, warst du fort. Ich habe gewartet, ob du zurückkamst. Schließlich habe ich das Haus in Sicherheit gebracht…“
„Wie denn?“ erkundigte sich Jonas.
„Ein Stück in die Luft steigen lassen. Dann habe ich meinen Skaphander angezogen und bin dich suchen gegangen; ich muß schon an dem Haus vorbeigekommen sein, in dem du stecktest…“
„Du hast meine Wunden beseitigt und die Schmerzen weggezaubert, nicht wahr?“
„Das war nicht schwer“, erklärte Xindy. „Es waren nur Hautwunden, und die Schmerzen – Schmerz ist vor allem eine Sache des Gehirns, und in deinem Gehirn kenne ich mich schon ganz gut aus.“
„Viel zu gut, fürchte ich.“
„Es muß schrecklich gewesen sein, was du meinetwegen erduldet hast.“
Jonas antwortete nicht, er ging einem Gedanken nach. Es war das erste Mal gewesen, daß er geschlagen wurde, wenn er von den Knüffen und Hieben bei einem Streit mit andern Jungen absah. Jetzt wußte er erst, wie es war, geschlagen zu werden. Was mußten andere Kinder leiden, die häufig von ihren Eltern Prügel bezogen, Hannemännchen, zum Beispiel, der jede Woche seine Tracht bekam. Jonas nahm sich vor, in Zukunft besonders nett zu ihm zu sein. Es war nicht nur der Schmerz, das wußte er jetzt, noch schlimmer war die Demütigung, das Gefühl der Wehrlosigkeit, das Ausgeliefertsein. Er war froh, daß Vater ihn nie schlug, ihm nicht einmal einen Katzenkopf gab. Sicher, ab und zu drohte er ihm Schläge an, aber niemand nahm das ernst.
„Was denkst du?“ fragte Xindy.
„Nichts für dich“, antwortete Jonas. Das fehlte noch, daß er den Außerirdischen verriet, wie brutal manche Menschen mit ihren wehrlosen Kindern umgingen. Xindy hatte schon viel zuviel Schlechtes über die Menschen erfahren. Ein Glück, daß er eben nicht hatte mitdenken können – hatte Xindy nicht gesagt, daß er in der offenen Tür saß, um ihn sehen und notfalls helfen zu können? Das hieß, daß er seit Stunden dort im Skaphander hockte. Xindy war wirklich ein Freund!
Ja, dachte er, solch eine Freundschaft ist ein seltener Glücksfall. Wie Winnetou und Old Shatterhand. Oder Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Oder Pinky und Monster… Jonas seufzte. Es würde verdammt schwer werden ohne Xindy.
„Warum seufzt du?“ fragte Xindy. „Hast du wieder Schmerzen?“
„Nein, aber Hunger.“
„Komm herein“, sagte Xindy. „Ich habe
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