Der Heckenritter von Westeros
noch älter als der alte Mann, und der alte Mann war tot. »Ei, wer ist der ungefährlichste dieser Herausforderer?«, fragte er den Jungen auf seinen Schultern, der so viel über diese Ritter zu wissen schien.
»Lord Gawen«, sagte der Junge sofort. »Valarrs Gegner.«
»Prinz Valarr«, verbesserte er ihn. »Ein Knappe muss sich höflicher Rede befleißigen, Junge.«
Die drei Herausforderer nahmen ihre Plätze ein, während die drei Recken aufsaßen. Ringsum schlossen Leute Wetten ab und riefen ihren Favoriten aufmunternde Worte zu, aber Dunk hatte nur Augen für den Prinzen. Beim ersten Durchgang streifte er Lord Gawens Schild, und die stumpfe Spitze der Lanze rutschte ab, genau wie bei Ser Abelar Hohenturm, nur wurde sie diesmal auf die andere Seite abgelenkt, ins Leere. Lord Gawens eigene Lanze brach sauber an der Brust des Prinzen ab, und einen Moment sah es aus, als würde Valarr stürzen, ehe er sich wieder fing.
Beim zweiten Durchgang schwang Valarr die Lanze nach links und zielte auf die Brust seines Gegners, traf ihn aber stattdessen an der Schulter. Dennoch reichte der Treffer aus, dass der ältere Ritter seine Lanze verlor. Lord Gawen ruderte mit einem Arm, um das Gleichgewicht zu halten, und fiel. Der Junge Prinz sprang aus dem Sattel und zog das Schwert, aber der gestürzte Mann winkte ihn fort und klappte das Visier hoch. »Ich ergebe mich, Euer Gnaden«, rief er. »Gut gekämpft.« Die Lords auf der Zuschauertribüne griffen die Worte auf und riefen: »Gut gekämpft! Gut gekämpft!«, während Valarr niederkniete, um dem grauhaarigen Lord auf die Beine zu helfen.
»Das trifft auf keinen von beiden zu«, beschwerte sich Ei.
»Sei still, sonst gehst du ins Lager zurück.«
Ein Stück weiter entfernt wurde Ser Joseth Mallister bewusstlos vom Feld getragen, während der Harfenlord und der Rosenlord zum Entzücken der versammelten Menge ungestüm mit stumpfen Streitäxten aufeinander losgin gen. Dunk konzentrierte sich so sehr auf Valarr Targaryen, dass er sie kaum sah. Er ist ein passabler Ritter, aber mehr auch nicht, dachte er bei sich. Gegen ihn hätte ich eine Chance. Wenn die Götter mir gewogen sind, könnte ich ihn vielleicht sogar vom Pferd stoßen, und am Boden würden mein Gewicht und meine Kraft entscheiden.
»Zeig’s ihm! «, brüllte Ei fröhlich und rutschte in seiner Aufregung auf Dunks Schultern hin und her. »Zeig’s ihm! Schlag ihn! Ja! Er ist direkt vor dir, direkt vor dir!« Er schien Lord Caron anzufeuern. Der Harfner schlug jetzt ganz andere Töne an und trieb Lord Leo immer weiter zurück, während Stahl auf Stahl sang. Die Menge schien fast zu gleichen Teilen einen der beiden anzufeuern, daher erklangen ungestüme Zurufe und Flüche durch die Morgenluft. Holz- und Farbsplitter flogen von Lord Leos Schild, während Lord Piers’ Axt die Blütenblätter eins nach dem anderen von der goldenen Rose hackte, bis der Schild schließlich barst und zerbrach. Aber dabei blieb die Axt einen Moment im Holz hängen … und Lord Leos eigene Axt sauste auf den Stiel der Waffe seines Gegners nieder und brach ihn entzwei, keine dreißig Zentimeter von der Hand entfernt. Lord Leo warf den zerbrochenen Schild beiseite, und plötzlich war er der Angreifer. Binnen wenigen Augenblicken lag der Harfenritter auf den Knien und sang seine Kapitulation.
Den Rest des Vormittags und bis weit in den Nachmittag hinein folgte mehr oder weniger dasselbe: Herausforderer betraten in Zweier- und Dreiergruppen das Feld, manchmal fünf auf einmal. Fanfaren ertönten, Herolde verkündeten die Namen, Schlachtrösser stürmten zum Angriff, die Menge johlte, Lanzen brachen wie dürre Zweige, und Schwerter klirrten auf Helmen und Kettenhemden. Es war, darin waren sich kleine Leute und hochgeborene Lords einig, ein grandioser Turniertag. Ser Umfried Hardyng und Ser Umfried Biengraben, ein tollkühner junger Ritter in Schwarz und Gelb mit drei Bienenstöcken auf dem Schild, zersplitterten nicht weniger als ein Dutzend Lanzen in einem heldenhaften Zweikampf, den das gemeine Volk bald schon »die Schlacht der Umfrieds« nannte. Ser Tybolt Lennister wurde von Ser Jon Fünfrosen vom Pferd gestoßen und zerbrach sein Schwert bei dem Sturz, schlug aber, nur mit dem Schild als Waffe, zurück, gewann den Kampf und blieb ein Recke. Der einäugige Ser Robyn Rhysling, ein ergrauter alter Ritter mit graumeliertem Bart, verlor seinen Helm in der ersten Runde durch Lord Leos Lanze, wollte aber nicht aufgeben. Dreimal ritten sie
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