Der Heckenritter von Westeros
einem seiner Stiefel war das Schnürband offen, bemerkte er. »Sonst wollte es niemand tun.«
»Wo ist dieser Ser Arlan jetzt?«
»Er ist gestorben.« Dunk hob den Blick. Den Stiefel konnte er später zuschnüren. »Ich habe ihn auf einem Hügel begraben.«
»Ist er tapfer in einer Schlacht gefallen?«
»Es hat geregnet. Er zog sich eine Erkältung zu.«
»Alte Männer sind gebrechlich, ich weiß. Das habe ich bei meinem zweiten Gemahl erfahren. Bei unserer Heirat war ich dreizehn. Er wäre an seinem nächsten Namenstag fünfundfünfzig geworden, hätte er ihn nur erlebt. Als er schon ein halbes Jahr unter der Erde war, schenkte ich ihm einen kleinen Sohn, doch der Fremde hat auch ihn geholt. Die Septone sagten, sein Vater wollte ihn an seiner Seite haben. Was meint Ihr, Ser?«
»Nun«, antwortete Dunk zögernd, »es könnte sein, M’lady.«
»Unfug«, sagte sie, »der Junge war einfach zu schwach. So ein winziges Ding. Er hatte kaum genug Kraft zum Saugen. Und doch. Seinem Vater haben die Götter fünfundfünfzig Jahre geschenkt. Da möchte man meinen, sie hätten mehr als drei Tage für seinen Sohn übrig.«
»Ja.« Mit Göttern kannte sich Dunk nun gar nicht aus. Gelegentlich ging er in die Septe, um zum Krieger zu beten, damit er seinen Waffen Kraft verlieh, ansonsten jedoch kümmerte er sich wenig um die Sieben.
»Es tut mir leid, dass Euer Ser Arlan gestorben ist«, sagte sie, »und noch mehr, dass Ihr in die Dienste von Ser Konstans getreten seid. Nicht alle alten Männer gleichen einander, Ser Duncan. Ihr würdet gut daran tun, nach Hellerbaum heimzukehren.«
»Ich habe keine andere Heimat als den Ort, an den ich mein Schwert gebunden habe.« Dunk hatte Hellerbaum nie gesehen; er wusste nicht einmal, ob es überhaupt in der Weite lag.
»Dann bindet es an mich. Die Zeiten sind unsicher. Ich brauche Ritter. Ihr seht aus, als hättet Ihr einen gesunden Appetit, Ser Duncan. Wie viele Hühner könnt Ihr essen? Auf Kaltgraben bekämt Ihr warmes rosafarbenes Fleisch und süße Obstkuchen. Euer Knappe sieht auch aus, als könne er besseres Essen vertragen. Er ist so dürr, dass ihm das Haar ausgefallen ist. Wir stecken ihn in ein Zimmer mit anderen Jungen seines Alters. Das wird ihm gefallen. Mein Waffenmeister kann ihm die Kriegskunst beibringen.«
»Ich bilde ihn aus«, sagte Dunk abwehrend.
»Und wer sonst? Bennis? Der alte Osgrau? Die Hühner?«
In der Tat hatte Dunk Ei an manchen Tagen Hühner scheuchen lassen. Dadurch wird er flinker, dachte er, aber wenn er ihr das jetzt erzählte, würde sie nur lachen. Ihre Stupsnase und ihre Sommersprossen lenkten ihn ab. Dunk musste sich in Erinnerung rufen, aus welchem Grund Ser Konstans ihn hergeschickt hatte. »Mein Schwert habe ich Mylord von Osgrau verschworen, M’lady«, sagte er. »Und das wird sich auch nicht ändern.«
»So sei es, Ser. Sprechen wir über weniger angenehme Angelegenheiten.« Lady Rohanne zupfte an ihrem Zopf. »Wir nehmen keine Angriffe auf Kaltgraben oder sein Volk hin. Sagt mir also, aus welchem Grunde ich Euch nicht in einen Sack nähen lassen sollte.«
»Ich bin als Unterhändler gekommen«, erinnerte er sie, »und ich habe Euren Wein getrunken.« Den vollen, süßen Geschmack hatte er noch im Mund. Bislang war er dadurch noch nicht vergiftet worden. Vielleicht machte ihn auch der Wein so verwegen. »Und keiner Eurer Säcke ist groß genug für mich.«
Zu seiner Erleichterung lächelte sie über den Scherz, den Ei gemacht hatte. »Ich habe allerdings einige, die für Bennis reichen würden. Maester Cerrick sagt, Wolmers Gesicht war fast bis auf den Knochen aufgeschlitzt.«
»Ser Bennis hat die Geduld verloren, M’lady. Ser Konstans hat mich geschickt, um den Blutpreis zu zahlen.«
»Den Blutpreis?« Sie lachte. »Er ist ein alter Mann, das weiß ich, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so alt sei. Glaubt er, wir würden noch im Zeitalter der Helden leben, als das Leben eines Mannes nicht mehr wert war als ein Sack voll Silber?«
»Der Mann wurde nicht getötet, M’lady«, erinnerte Dunk sie. »Soweit ich gesehen habe, wurde niemand getötet. Er hat einen Schnitt im Gesicht davongetragen, das ist alles.«
Ihre Finger tanzten müßig über den Zopf. »Wie viel gedenkt Ser Konstans denn für Wolmers Wange zu zahlen, bitte schön?«
»Einen Silberhirschen. Und drei für Euch, M’lady.«
»Ser Konstans ist ein Geizhals, wenn er meine Ehre so niedrig einschätzt, wenngleich drei Silberstücke besser sind als drei
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