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Der Heiler

Der Heiler

Titel: Der Heiler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antti Tuomainen
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vierundzwanzig Stunden mehrere Kilo abgenommen und wäre zugleich auch ein wenig kleiner geworden oder hätte anderweitig etwas von seiner Statur eingebüßt. Ich wusste, dass das nicht möglich war, aber so wirkte er, als ich ihn da in seiner Jogginghose, dem Wollpullover und den dicken weißen Sportsocken stehen sah. Er sah sich um und entschied sich dann für die paar Schritte zum Sessel. Elina rückte auf dem Sofa noch weiter von mir weg.
    Ahti setzte sich und sah mich an. »Elina sagt, dass du mit mir über etwas Bestimmtes reden willst.«
    Ich streifte Elina mit einem Blick und wandte mich dann Ahti zu. »Dass ich über etwas Bestimmtes reden will, habe ich nicht gesagt. Ich habe Elina nur gebeten, dich zu wecken.«
    Ahti faltete die Hände im Schoß und lehnte den Kopf zurück. Er versuchte vielleicht, ein wenig mehr nach einem Juristen auszusehen, als es die Situation oder seine Jogginghose hergab. »Du klingst nicht nach dir selbst«, sagte er.
    Â»Wie klinge ich denn, wenn ich ich selbst bin?«, fragte ich. »Nach einem Freund, der nichts mitkriegt und alles glaubt?«
    Ahti warf Elina einen raschen Blick zu. »Wir alle haben schwere Tage hinter uns. Ich wurde von einer Ratte gebissen, was an sich keine große Sache ist, aber es hat unsere Pläne völlig über den Haufen geworfen. Elina hat dir bestimmt erzählt, dass wir in Helsinki bleiben.«
    Â»Ja, hat sie«, bestätigte ich.
    Â»Ich hatte in der Nacht hohes Fieber und bin immer noch nicht wieder gesund. Und wirklich erschöpft. Wenn wir etwas für dich und Johanna tun können, dann tun wir es. Aber es hilft wohl keinem von uns, wenn du hierherkommst, dich schlecht benimmst und Elina quälst. Ich glaube nicht, dass Freundschaft zu so etwas berechtigt. Zumal in solchen Zeiten.«
    Ich streifte Elina wieder mit einem Blick. Sie war jetzt so weit von mir abgerückt, wie es das Sofa erlaubte, hob die Beine aufs Polster und schlang die Arme um die Waden.
    Â»Ich habe Elina nicht gequält«, sagte ich. »Aber sollte ich es unbewusst getan haben, dann tut es mir leid. Was unsere Freundschaft angeht, zumal in solchen Zeiten, stimme ich dir zu. Über alles andere bin ich aber ziemlich verwundert.«
    Ahti schlug ein Bein über das andere, lehnte sich ganz leicht nach links, stützte den Ellenbogen auf die Lehne und hob das Kinn. Unter anderen Bedingungen hätte ­diese Haltung Kompetenz und Überlegenheit ausgestrahlt. Aber Kleider machen auch Juristen. In Jogging­hosen und dicken Socken ist es für jeden ungeheuer schwer, Würde vorzutäuschen.
    Â»Als Johanna verschwunden ist«, sagte ich und hätte wieder beinah auf die Uhr geschaut, »das war vor fast zwei Tagen, bekam ich es mit der Angst zu tun. So wäre es jedem von uns gegangen. Und weil ich keine Familie habe, habe ich mich an meine Freunde gewandt. Ich kam hierher. Ihr wolltet gerade aufbrechen. Genau zu diesem Zeitpunkt. Ein verdammter Zufall. Und als ich ­erzählt habe, was los ist, war Ahti sofort bereit, mir eine Waffe zu verkaufen. Obwohl er sonst immer alles peinlich genau nimmt, besonders Gesetze und Verordnungen. Ich habe in dem Moment nicht weiter darüber nachgedacht. Und ich habe mich auch nicht darüber gewundert, war­um unsere alten Freunde nichts davon gesagt hatten, dass sie die Stadt verlassen wollen.«
    Da weder Ahti noch Elina etwas sagten, fuhr ich fort:
    Â»Und mir kamen auch keine Zweifel, als ihr erzählt habt, dass ihr diese Wohnung nicht losgeworden seid. Dass sie so viele Mängel hat und das Haus in einem schlechten Zustand ist, mit Wasser im Keller und Löchern im Dach. Dann kam ich auf die Idee, das Ganze nachzuprüfen. Diese Wohnung hat nie zum Verkauf gestanden, niemand hat versucht, sie irgendwem anzubieten. Und was das Haus angeht, so wurde zwei Stockwerke über euch gerade eine Wohnung verkauft. Weiter oben. Noch näher an dem löchrigen Dach.«
    Ich spürte einen störenden Reiz in der Kehle, ein unangenehmes Brennen, das mir das Schlucken erschwerte. In meinen Augenwinkeln flitzten Schatten hin und her. Symptome von Müdigkeit und Enttäuschung.
    Â»Spätestens da habe ich mir zwei Fragen gestellt«, fuhr ich fort, als ich durch mehrmaliges Schlucken den Hals wieder frei hatte. »Warum wollen die beiden so plötzlich weg aus Helsinki, dass sie nicht mal Zeit haben, ihre Wohnung zu verkaufen? Und warum

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