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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Poitiers steht für die Tatsache, dass die Expansion des Islam im äußersten Westen an ihre Grenzen gestoßen war. Das hatte auch damit zu tun, dass die integrative Kraft der Religion Mohammeds zu schwinden begann. Bereits dreißig Jahre nach dem Tod des Propheten hatten sich die Muslime im Streit über die Nachfolgefrage in Sunniten und Schiiten gespalten.
    Ab dem 8. Jahrhundert waren aber auch innersunnitische Konflikte an der Tagesordnung. 751 führten sie zur blutigen Ablösung der Umayyaden-Dynastie durch die Abbasiden. Im 10. Jahrhundert kulminierten Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft im »Haus des Islam« in der Gründung konkurrierender Kalifate. Das einigende Band der Religion hatte sich auch im Falle des Islam als äußerst brüchig erwiesen.
    Es war ein Umstand, der auch für die Welt des Christentums galt. Die Koalition christlicher Kräfte bei der Schlacht von Tours und Poitiers war nichts weiter als ein Zweckbündnis auf Zeit und keineswegs die Geburtsstunde des christlichen Europa oder gar einer gemeinsamen christlich-europäischen Identität. Das sollte die Chronisten der fränkischen Karolinger aber nicht davon abhalten, den Sieger von Tours und Poitiers und seine karolingischen Nachkommen zu den rechtmäßigen und gottgewollten Herrschern Europas zu stilisieren.

    Bild 20
    »Schlacht von Roncesvalles«: Der Überfall auf die fränkische Nachhut unter der Führung Rolands. Französische Buchmalerei aus dem 14. Jahrhundert.
    Die wichtigste Erkenntnis aus der Schlacht von 732 und ihren Folgen ist womöglich diese: Einer Sakralisierung von Gewalt sollte stets mit größter Skepsis begegnet werden. Kein Krieg ist heilig. Opfer, die mit dem Versprechen auf Belohnung im Jenseits versehen sind, sollten grundsätzlich nicht erbracht werden. Und Herrscher, die sich von ihren Chronisten zu Vollstreckern des Willen Gottes machen lassen, tun in der Regel nichts
anderes, als ihre machtpolitischen Interessen mit dem Mantel der Heilsgeschichte zu verdecken.
    Monotheismus und die Sakralisierung des Krieges
    Dass der göttliche Auftrag Akte rechtfertigen und sogar heiligen kann, die ansonsten als Verbrechen gelten und geahndet werden, ist keineswegs eine Erfindung des Islam. Bereits im Alten Testament der Bibel gibt es zahlreiche Beispiele für die religiöse Überhöhung von Straftaten. Die himmlische Lizenz zu Unterdrückung, Raub und Mord hält dem Historiker Aharon Oppenheimer zufolge mit der Idee des Monotheismus Einzug in die Kulturgeschichte der Menschheit. Auch das Christentum macht in seiner zweitausendjährigen Geschichte oft Gebrauch davon.
    Ergänzt wird der Freibrief für Gewalt durch das Versprechen auf jenseitigen Lohn. Wer sich an religiös motivierten Aktionen beteiligt, erwirbt den Erlass seiner Sünden und ein Anrecht auf das Paradies. Wer bei der Vollstreckung des vermeintlichen Willen Gottes fällt, gilt sogar als Märtyrer.
    Dass sich auch Dichter zu Handlangern der Mächtigen machen lassen, beweist das »Rolandslied«. Ende des 11. Jahrhunderts in Frankreich ent-standen, wurde es zum beliebtesten christlichen Heldenepos seiner Zeit. Historischer Hintergrund ist ein Feldzug Karls des Großen 778 gegen die Mauren in Spanien. Beim Rückweg über die Pyrenäen wird die fränkische Nachhut unter der Führung von Hruotland, dem Markgrafen der Bretagne, von den Basken aufgerieben.
    Bild 10
    Die »Schlacht von Roncesvalles«: Karl der Große wird Zeuge von Rolands Tod beim Zweikampf mit einem Basken. Französische Buchmalerei, 14. Jahrhundert.
    Bild 21
    »Karl der Große findet den erschlagenen Roland«: Der Tod des treuen Gefolgsmanns wird den Herrscher umstimmen. Französische Buchmalerei, 15. Jahrhundert.
    Das Versepos um den christlichen Ritter Roland stört sich nicht an den Fakten. Es macht aus den Basken Muslime und erzählt von der Heimtücke, mit der sich ihr König Marsilie das Vertrauen Karls des Großen erschleicht. Der heidnisch-muslimische Herrscher sorgt dafür, dass
Roland bei Karl in Ungnade fällt. Der untadelige Ritter soll beim Überqueren der Pyrenäen in einen Hinterhalt geraten und von Marsilies Männern getötet werden. Nach heldenhafter Gegenwehr fällt der tapfere Recke. Karl, über die wahren Hintergründe aufgeklärt, wendet sich angesichts von Rolands Leichnam gegen die Muslime und ihren Herrscher. Auch das Erscheinen eines feindlichen Heeres aus »Babylonien« kann die Christen nicht stoppen. Alle heidnischen Bewohner Spaniens werden zwangsbekehrt.
    Ins

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