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Der Heilige Krieg

Der Heilige Krieg

Titel: Der Heilige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Oktober datiert, berichtet von einem massiven Angriff in den Morgenstunden. An verschiedenen Stellen seien die Muslime mit Vorhut und Hauptheer gegen die Phalanx der christlichen Koalition vorgerückt. Ein Durchbruch sollte den maurischen Kämpfern aber nicht gelingen.
    Es ist anzunehmen, dass sich die fränkischen Fußsoldaten über die gesamte Breite der Lichtung, links und rechts der alten Römerstraße postiert hatten. Im Westen sicherte der Flusslauf der Clain ihre Flanke, im Osten der dichte Wald. Geht man von etwa 10 000 Kämpfern aus, die Karl Martell über die einen Kilometer breite Freifläche verteilen konnte, so hatte die fränkische Phalanx eine Tiefe von zehn Reihen.
    Die Vormittagsstunden verstrichen mit wiederholten Attacken der Muslime. Zunächst ritt eine Abteilung von Bogenschützen in Position, saß ab und deckte die Reihen der Franken mit einem Pfeilhagel ein. Daraufhin versuchten vorgerückte Fußsoldaten der Mauren, mittels Nahkampf in die Front ihrer Gegner einzubrechen. Aufgrund ihrer wirksam schützenden Rüstung und Schilde hatten die Krieger Karl Martells nur geringe Verluste erlitten. Das eingeübte Verhalten in der Phalanx sorgte dafür, dass die entstandenen Lücken in den Reihen sofort wieder geschlossen wurden.

    Bild 5
    »Karl Martell ringt Abd ar-Rahman nieder«: Bronzearbeit des Franzosen Théodore Gechter (1796 – 1844) aus dem 19. Jahrhundert.
    Hinter den Fußsoldaten der fränkischen Phalanx warteten die aquitanischen und langobardischen Reiter darauf, etwaige Durchbrüche des Feindes zu stoppen. Einen Gegenangriff, für den er die starre Formation seiner Truppen hätte auflösen müssen, hatte der schlachtenerfahrene Hausmeier bis in die frühen Nachmittagsstunden nicht gewagt. Dann aber befahl er ein Manöver, das den Schlachtenverlauf zugunsten der Christen wenden sollte.

    Die Hintergrundinformation dazu liefert die sogenannte Fortsetzung der Fredegar-Chronik , die als amtliche Hauschronik der fränkischen Karolinger gilt: »Kühn rief Prinz Karl seine Krieger, gegen den Feind zu stürmen. Mit der Hilfe des Herrn gelang es, ihre Zelte zu überrennen. Wie wackere Mühlsteine zerrieben die Kämpfer den Gegner. Ihr König Abdirama fiel, und Karl vernichtete sie, ihre Armee vor sich hertreibend.«
    Trotz des Pathos der Zeilen lässt sich aus ihnen Folgendes herauslesen: Karl befahl Odo und seinen berittenen Truppen, das Lager der Muslime anzugreifen. Die Aquitanier verfügten über die nötigen Orts- und Geländekenntnisse, da das Schlachtfeld auf ihrem Gebiet lag. Aber der Weg über das Schlachtfeld war durch das Hauptkontingent der Mauren verstellt. Um das Lager überhaupt erreichen zu können, musste den Männern Odos ein zweiter, relativ ungeschützter Zugang offen stehen: Dies könnte die schmale Lichtung gewesen sein, die vom Lager der Mauren aus zunächst nach Osten und dann nach Norden verlief. Abd ar-Rahman hatte auf dieser Seite des Lagers wohl keinen Verteidigungsgraben ausheben lassen.
    Der Angriff auf das Lager zeigte die gewünschte Wirkung. Prompt beorderte Abd ar-Rahmen seine Nachhut dorthin, um die Lagerwachen im Abwehrkampf zu unterstützen. Die ungewöhnliche Truppenbewegung machte die Berber unter den Kämpfern auf das Geschehen aufmerksam. Aus Furcht um ihre Familien brachen sie aus den Formationen aus, um sich am Kampf um das Lager zu beteiligen. Angesichts der Auflösung der Schlachtreihen seiner Gegner ging Karl Martell mit seinen Fußtruppen zum Gegenangriff über. In der Folge geriet Abd ar-Rahman mitten ins Kampfgetümmel und wurde dabei von einer fränkischen Lanze tödlich getroffen. Trotz des Zweifrontenkampfs konnten die führerlosen Muslime ihr Lager bis zum Einbruch der Nacht halten.
     
    Die Ereignisse am Morgen nach der Schlacht, wie sie die Chronik von 754 weiter beschreibt, klingen zunächst rätselhaft: »Die ›Europäer‹ näherten sich der maurischen Lagerstätte mit größter Vorsicht. Die Ordnung, mit der die Zelte der eigentlich besiegten Feinde noch immer standen, erregte ihren Verdacht. Sie fürchteten einen Hinterhalt.«
    Kostbare Zeit verstrich, bevor die Männer Karl Martells den Trick
durchschauten. Die Mauren hatten mit der vorsichtigen Reaktion ihrer Gegner gerechnet und somit für den Rückzug auf sicheres Territorium einen lebenswichtigen Vorsprung herausgeholt. Außerdem hinterließen sie genügend Beute, um die Gewinner der Schlacht noch länger zu beschäftigen. Keiner der christlichen Feldherren wagte es, seine Krieger

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