Der Heilige Krieg
familiären Begleitung Konflikte zwischen den Berbern und ihren Anführern. Im Fall von Tours und Poitiers sollte sich diese Eigenart der Berberkrieger als für die Schlacht entscheidend erweisen.
Etwa am 18. Oktober 732 stieß die Vorhut der Muslime kurz vor Tours auf die ersten fränkischen Truppen. Den Indre, einen Zufluss der Loire, konnten die Mauren nicht mehr nach Norden überqueren. Nach ein paar Scharmützeln zogen sich die muslimischen Reiter zum Hauptheer zurück.
Abd ar-Rahman musste abwägen, ob er angesichts der Gegenwehr seinen Angriff auf Tours fortsetzen wollte. Er entschied sich, zunächst einmal abzuwarten, und befahl seinem Heer, östlich der alten Römerstraße nach Tours ein Lager aufzuschlagen und zu befestigen. Eine abgeholzte Anhöhe oberhalb der kleinen Ortschaft Moussais bot dafür gute Bedingungen. Zum Schutz des Lagers wurde ein Graben ausgehoben, der mit Pfosten und Gestrüpp verstärkt wurde. Die Verteidigungsmaßnahmen wurden auf das freie Ackergelände beschränkt, das nach Westen und zur Römerstraße hin abfiel. Richtung Norden öffnete sich eine schmale Lichtung in der ansonsten dichten Bewaldung. Dieser Zugang zum Lager blieb unbefestigt – was sich noch als verhängnisvoll herausstellen sollte.
Karl Martell war von den Boten Odos über dessen Niederlage bei Bordeaux informiert worden. Er hatte nun auch eine Vorstellung von der Truppenstärke und den Zielen der Mauren. Fränkische Heere bestanden Anfang des 8. Jahrhunderts vor allem aus schwer bewaffneten Fußsoldaten. Als Standardwaffe benutzten die Kämpfer eine kurze Lanze mit breiter Klinge. Da die etwa 1,80 Meter langen Lanzen schnell brachen, führten die Männer in der Regel gleich mehrere Exemplare mit sich. Zu ihrer Verteidigung benutzten sie einen Holzschild, der mit Eisenplatten und Leder überzogen war, einen verstärkten Lederhelm und kurzärmelige Kettenhemden.
Die Kampftaktik der Franken war – wie die ihrer Gegner – grundsätzlich defensiv ausgerichtet. So sind auch die sieben Tage des Abwartens zu erklären, von denen in der Chronik von 754 die Rede ist. Aber als die Vorhut der Mauren bei Tours auf seine Vorposten traf, sammelte Karl Martell sofort sein Heer, um die muslimischen Angreifer zu stellen. Im Vorjahr waren die Sarazenen bei ihrem Vorstoß in sein Herrschaftsgebiet auf keine nennenswerte Gegenwehr gestoßen und hatten das Land verwüstet. Diesmal wollte er den Eindringlingen eine empfindliche Niederlage zufügen.
Der Hausmeier folgte mit seinen Männern den Kerntruppen Abd ar-Rahmans über Indre und Vienne in Richtung Süden. Nur etwa vier Kilometer von den Zelten der Muslime entfernt, ließ der Franke sein Lager errichten. Wahrscheinlich machte er sich dabei die Ruinen eines römischen Amphitheaters bei Vieux-Poitiers zunutze, das noch über einen Turm verfügte.
Der Hausmeier schickte außerdem Boten zu den Langobarden, mit deren König Liutprand die fränkischen Merowinger 732 noch ein Verteidigungsbündnis unterhielten. Vierzig Jahre später sollte Karl Martells Enkel Karl der Große das Königreich der Langobarden unterwerfen.
Etwa 2000 Langobardenkrieger zu Pferde waren schließlich an der Schlacht von Tours und Poitiers beteiligt. Sie mussten bereits auf dem Weg nach Nordaquitanien gewesen sein, sonst hätten sie es – bei Tagesetappen von etwa 100 Kilometern – nicht mehr rechtzeitig zum Schauplatz des Geschehens geschafft.
Fürst Odo dürfte nach der Niederlage bei Bordeaux nur mehr über etwa 3000 berittene Elitesoldaten verfügt haben. Mit ihren guten Orts-und
Geländekenntnissen sollten diese Männer dem Schlachtverlauf aber die entscheidende Wendung geben.
Über die Gesamtzahl der beteiligten Truppen gibt es auf beiden Seiten keine zuverlässigen Angaben. Nur ein Chronist namens »Paul der Diakon« nennt in seiner Geschichte der Langobarden Zahlen, die zu heftigen Zweifeln Anlass geben. Demnach sollen bei den Kämpfen südlich von Tours 375 000 Muslime gefallen sein und nur 1500 Christen. In Wahrheit wird es sich um jeweils 7000 bis 15 000 Kämpfer gehandelt haben, wie der bereits zitierte Historiker Hugh Kennedy vermutet. Aufgrund des Trosses, den die Berber mit sich führten, waren auf muslimischer Seite aber bis zu 50 000 Menschen an dem Beutezug beteiligt.
Über den Beginn der Schlacht gibt eine arabische Quelle Auskunft, die einem ansonsten unbekannten Autor namens Sidi Osman ibn-Artan zugeschrieben wird. Der Chronist, der die Schlacht allerdings auf den 11.
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