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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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habe.
    In einem anderen Fall wandte sich eine Erscheinung des Erzengels Michael, des »stets kampfbereiten Patrons des deutschen Volkes«, über sein Medium in Münster direkt an mich als Herausgeber, um mir mit meiner Höllenfahrt zu drohen, sollte ich nicht endlich aufhören, Beiträge zu bringen, die die Gültigkeit der neuen Messe anerkennen.
    Einer adeligen Dame war das »Prager Jesulein « auf dem Dachboden begegnet und hatte ihr für das Jahr 2005 den apokalyptischen Untergang der Welt vorhergesagt. Vorher müsse aber noch Papst Pius XII. heiliggesprochen werden, um den Erfolg des Antichristen, der aus dem jüdischen Volk hervorgehen werde, nicht zu groß werden zu lassen. Meine Aufgabe sei es nun, mich direkt beim Papst für dieses Heiligsprechungsverfahren einzusetzen und die Menschen vor dem Erscheinen des Antichristen zu warnen.
    Wieder ein anderer Briefeschreiber fühlte sich von seinem modernistischen Gemeindepfarrer, einem .Apotheker, der Kondome im Angebot hatte, und seiner Nachbarin, die sich auf ihrem Balkon leicht bekleidet sonnte, verfolgt. Alle drei »Übeltäter« erschienen ihm auch regelmäßig in Gestalt des Teufels bzw. der »Hure Babylon«, und mir kam nun die Aufgabe zu, dem Verfolgten durch meine Beziehungen einen geeigneten Exorzisten oder eine wirkmächtige Reliquie zu vermitteln. Mein gutgemeinter Rat, er solle sich in ärztliche Behandlung begeben, führte dazu, dass er später in einem traditionalistischen Internetforum permanent unter einem Nicknamen die verrücktesten Geschichten über mich verbreitete.
    Die erste Zeit tröstete ich mich mit dem Gedanken, dies seien einfach ein paar ebenso bigotte wie verwirrte Seelen. Auch der befreundete Dominikanerpater zerstreute meine Bedenken: »Bekloppte gibt es überall.«
    Aber als die Briefflut so sehr anschwoll, dass ein einziger Aktenordner nicht mehr ausreichte, konnte ich nicht umhin zu erkennen, dass sich in der Leserschaft der von mir herausgegebenen Zeitschrift bzw. in deren traditionell katholischem Umfeld über die Jahre eine große Zahl von Menschen mit religiös verursachten und sich so auch äußernden Neurosen angesammelt hatte. Wieder einmal packten mich Zweifel, wie ernst man unter diesen Umständen das ganze Projekt, in das ich sehr viel Zeit investierte, nehmen konnte.
    Verstärkt wurden diese Bedenken noch, als ich von dem schon erwähnten polnischen Pater hörte, dass die von hohen und höchsten Kirchenfürsten so sehr geschätzte Baronin Stockhausen ihm den Auftrag erteilt habe, für die Gustav-Siewerth-Akademie Wallfahrten zu den amtskirchlich nicht anerkannten Erscheinungen im saarländischen Marpingen zu organisieren.
    Kurz darauf berichtete ein langjähriger Mitarbeiter der Akademie von der festen Überzeugung »Tante Almas« (wie man sie in Klerikerkreisen nennt), »dass wir in apokalyptischen Zeiten leben und bald mit der Ankunft Christi zu rechnen haben - sie studiert ständig alle heutigen Marienbotschaften daraufhin, wann die Wiederkunft Christi vorhergesagt wird«. Es klang wie aus dem Drehbuch einer Slapstick-Komödie, was der Mann weiter berichtete: »Im April 2000 musste ich zusammen mit anderen Mitarbeitern den zwischen beiden Gebäuden der Akademie gebauten Atombunker mit Lebensmitteln auffüllen, da ein Seher aus dem Schwarzwald den Weltuntergang bzw. den Atomkrieg für diesen Zeitpunkt vorhergesagt hat - dass die Demokratien des Westens wegen ihrer Dekadenz und ihrer Gottlosigkeit zum Untergang führen müssen, aus dem nach ihrer Auffassung uns nur die Errichtung einer christlichen Königs- und Adelsherrschaft wieder herausführen kann.«
    Auch andere im konservativen Milieu angesehene Universitätsprofessoren schilderten mir ihre Visionen und übernatürlichen Erlebnisse. So schrieb mir ein bekannter Theologe und Autor von Theologisches, nachdem ich einen kurzen, kritischen Artikel über den Schweizer Theologen Hans Urs von Balthasar veröffentlicht hatte, der die Theologie Johannes Pauls II. in vielem inspirierte: »Als der Papst nach Salzburg kam, bin ich nach meiner Nachtanbetung mit dem ersten Schnellzug nach Salzburg gefahren. Plötzlich hörte ich eine Stimme. Mir wurde bewusst, dass Balthasar vor Gottes Gericht stand und sich nicht verteidigen konnte. Der Papst sagte gleich nach der Begrüßung: In dieser Nacht ist der berühmte Theologe Hans Urs von Balthasar gestorben. Wie durch eine Erleuchtung war mir klar: jetzt ist er in der Hölle und kommt da nie mehr raus!«
    Eine dritte, wesentlich

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