Der heilige Schein
weniger klar erkennbarem rechtsradikalem Hintergrund in die Zeitschrift aufgenommen worden. Diese Unsitte stellte ich mit Übernahme der Zeitschrift sofort ein. Zwar dachte ich zu der Zeit nicht eben liberal, aber die Rechtsradikalen missbilligte ich schon allein wegen ihrer Vorurteile gegenüber gesellschaftlichen Randgruppen, eben auch Homosexuellen. Im Vordergrund meiner Entscheidung stand jedoch, dass mir die Vermischung von Politik und Religion zutiefst widerstrebte. Der katholische Glaube und die diesen mit der Vernunft durchdringende Theologie waren mir zu schade, um sie für ein politisches Anliegen zu instrumentalisieren und dadurch das Ewige zur Dienstmagd des Zeitlichen und Profanen zu machen. Ich fürchtete, dass dadurch das von mir damals angestrebte Ziel der Förderung einer traditionellen Theologie in Misskredit gebracht werden könnte. Die bisher in der Zeitschrift vertretene rechte Theologie war auch nicht besser als die von den konservativen Katholiken bekämpfte linke Befreiungstheologie, die sich allzu oft zum Büttel des Kommunismus hatte machen lassen.
Die meisten Theologen innerhalb der Fördergemeinschaft standen in dieser Sache weitgehend hinter mir. Im Unterschied zu den Nicht-Theologen im Förderkreis. So wirkte das Gesicht des Gastgebers der Herrenabende und der informellen Zusammenkünfte von Mal zu Mal verbitterter, wenn er mich sah. In Gesprächen mit Leuten aus dem Umfeld von Theologisches wurde dann auch vorsichtig angedeutet, ich hätte die Herausgabe der Zeitschrift übernommen, um meine Karriere zu befördern, und nähme dabei keine Rücksicht auf die Interessen der Leser. Spätestens ab dem Zeitpunkt war mir aufgrund ähnlicher Vorfälle in der Kirche klar, dass innerhalb des Netzwerks ein interner, noch verdeckter Kampf gegen mich begonnen hatte und man sich daranmachte, Informationen über mich zu sammeln, um sie bei Gelegenheit auszupacken.
Keine Religion für Akademiker
Wie sehr eine Umstrukturierung der Zeitschrift notwendig war, zeigen die vielen Briefe, die ich in den ersten Jahren als Herausgeber erhielt. Zunächst waren da die zustimmenden Zuschriften etwa von jungen Theologiestudenten aus eher liberalen Priesterseminaren, die sich für die Hebung des intellektuellen Niveaus ausdrücklich bedankten, auch wenn sie mit vielem nach wie vor nicht einverstanden waren, was in Theologisches zu lesen war. Aber immerhin war eine gemeinsame Gesprächsbasis gefunden, mit Hilfe derer man über den alten Graben zwischen Liberalen und Konservativen hinweg ein sachliches Gespräch aufnehmen konnte.
Exemplarischer Ausdruck einer solchen Gesprächskultur war für mich mein Austausch mit dem bekannten Hamburger Theologen Otto-Hermann Pesch. Der verheiratete Ex-Dominikaner, Ex-Priester und an einer evangelischen Fakultät lehrende katholische Theologe setzte sich für eine weitergehende Ökumene und eine offene Theologie im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Zugleich galt Pesch als der beste Kenner der Theologie des Thomas von Aquin im deutschen Sprachraum. Von seiner Interpretation des Thomas hatte ich viel gelernt. Auf dieser Basis kamen wir uns näher und begegneten uns - trotz sehr verschiedener Ansichten - mit gegenseitigem Respekt. Im Vorwort zu meiner populären Einführung in Leben und Denken des Aquinaten, die 2002 unter dem Titel Thomas von Aquin begegnen erschien, habe ich diesen Respekt und meinen Dank für seine Hilfe bei der Erstellung des Buches zum Ausdruck gebracht.
Aber dem Netzwerk entging nichts, alles wurde registriert und gesammelt: Meine konservativen Freunde, denen Pesch wegen seiner offenen, sachlichen Kritik an konservativen Kirchenmännern ein Dorn im Auge war, konnten mir diese Bekanntschaft nicht verzeihen, und es wurde häufig darauf angespielt, um mir zu beweisen, dass ich kirchenpolitisch nicht ganz zuverlässig sei.
Eine andere Kategorie von Briefen sprach allerdings noch mehr für die Umstrukturierung der Zeitschrift. Diese Briefe kamen in so großer Zahl, dass ich dafür einen eigenen Ordner anlegen musste. Man könnte meinen, in ihnen äußere sich nur eine kleine, für die katholische Kirche wenig repräsentative Gruppe, doch jeder, der sich im konservativ-katholischen Milieu ein wenig auskennt, weiß, dass dies keineswegs der Fall ist.
Eine ganze Abteilung in besagtem Ordner besteht aus Zuschriften von Hobbytheologen, die mir ihre Elaborate zuschickten. Zumeist handelte es sich um ältere Menschen, deren Manuskripte mit schlecht
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