Der heilige Schein
Protesten aus dem Judentum leicht abgemildert wurde - das Wort »perfide« wurde gestrichen -, bleibt das Gebet für die Bekehrung der Juden bestehen.
Der Leiter der Kölnischen Gesellschaft für jüdischchristliche Zusammenarbeit, Günther Bernd Ginzel , hat darauf hingewiesen, was weitgehender Konsens bei vielen jüdischen und christlichen Gelehrten ist: dass durch die Logik des Gebetstextes der seit 1965 geltende katholische Konsens verlassen wird, nach dem die Juden als Volk Gottes auch von den Christen zu achten sind und eine Judenmission deshalb zu unterbleiben hat.
Charlotte Knobloch, die Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, erklärte am 21. März 2008, der katholisch-jüdische Dialog sei bis zur Rücknahme des Gebetstextes auszusetzen. Bis zur Stunde ist diese Rücknahme nicht erfolgt und bildet zusammen mit der Rehabilitation des Holocaustleugners Williamson ein fatales Signal der Bestätigung für rechtsradikale und antisemitische Gruppen innerhalb der katholischen Kirche.
Die Veränderung des Wortlauts hat auch keineswegs zu einem Umdenken bei der Piusbruderschaft geführt. Dort sieht man in der leichten Abmilderung des Textes eine Abkehr von der ewigen Wahrheit und betet weiter »für die perfiden Juden« und dass Gott »die Verblendung jenes Volkes« aufheben möge. Sie halten auch an dem eindeutig antijudaistisch motivierten Befehl aus dem Mittelalter fest, der lautet: »Hier unterlässt der Diakon die Aufforderung zur Kniebeugung, um nicht das Andenken an die Schmach zu erneuern, mit der die Juden um diese Stunde den Heiland durch Kniebeugungen verhöhnten.« [38]
Der in der Wendung »Synagoge Satans« mitschwingende Antijudaismus war also keine partikuläre Laune des Förderers der Zeitschrift. Überhaupt sollte ich durch die neue Zusammensetzung der Fördergemeinschaft in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Entgegen dem Versprechen voller redaktioneller Freiheit wurden regelmäßige Treffen mit den Mitgliedern der Fördergemeinschaft beim Veranstalter der Herrenabende in Düsseldorf angesetzt, bei denen besonders die genannten neuen Mitglieder ihre »beratende Tätigkeit« energisch wahrnahmen. Dazu gehörte, dass genau registriert wurde, was ich wann und wo publizierte. Selbst die entlegensten Veröffentlichungen, etwa biographisch-bibliographische Lexikonartikel, entgingen den aufmerksamen Blicken der Aufseher(innen) des Netzwerkes nicht. Das Gefühl, überwacht zu werden, wie es auch in der Priesterausbildung geschürt wird, sollte mich wohl auf Linie halten.
Meine Absicht, Theologisches erneut ein Niveau zu geben, mit dem die Zeitschrift auch im Bereich der Wissenschaft wieder wahrgenommen würde, stieß bei einigen der Nichttheologen in der Fördergemeinschaft auf wenig Gegenliebe. Auch Autoren, deren Artikel im Zuge dieser Umorientierung keinen Platz mehr in Theologisches fanden, begannen zu revoltieren, indem sie fortwährend Protestschreiben an alle Welt verschickten, in denen sie sich über mich beschwerten. Das ging so weit, dass eine der untragbar gewordenen Autorinnen bei einem Mitglied meiner Familie in der Sache vorsprach und ihm Vorwürfe wegen meiner angeblich schlechten Erziehung machte.
Immer wieder bekam ich zu hören, die Zeitschrift sei unlesbar geworden, die vielen Fußnoten und fremdsprachigen Zitate würden die Leser vergraulen. Niemand habe Lust und Zeit, sich über mehrere Seiten mit theologischen Theorien und Kontroversen oder mit Theologiegeschichte zu beschäftigen. Dabei war das Gegenteil der Fall. Durch die Anhebung des Niveaus stießen ganz neue, vor allem auch jüngere Lesergruppen zu der Zeitschrift. Unter den Neuabonnenten waren außerdem einige Universitätsbibliotheken bzw. theologische Fakultätsbibliotheken, und der allseits anerkannte Zeitschrifteninformationsdienst der Universitätsbibliothek Tübingen nahm Theologisches in sein Programm auf. Dadurch war sichergestellt, dass die erschienenen Beiträge auch von Lesern wahrgenommen wurden, die dem erzkatholischen Milieu fernstanden. Aber die waren offensichtlich gar nicht so wichtig; man hatte sich so gut in seinem rechtskatholischen Ghetto eingerichtet, dass der Dialog mit Andersdenkenden keine große Bedeutung hatte.
Noch schwerer im Magen lag einigen Entscheidungsträgern und Mitarbeitern der Zeitschrift allerdings der langsame programmatische Umbau, mit dem ich vorsichtig begann. Unter meinen beiden Vorgängern waren - wie bereits erwähnt - politische Artikel mit mehr oder
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