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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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Der von Rom beauftragte Opus-Dei- Visitator sollte nach dem Skandal um die beiden Priesterseminarleiter in der Ausbildungsstätte Homosexuelle oder homosexuell Veranlagte ausfindig machen, um so die vermeintliche Verschwörung von Schwulen auffliegen zu lassen. Nun ist es nicht ganz einfach, so etwas herauszufinden, zumal die Foltermethoden, derer sich die Kirche in früheren Zeiten befleißigte, auf wenig Gegenliebe bei der Öffentlichkeit gestoßen wären. Folglich entwickelte der Visitator , ein studierter Mediziner, zusammen mit seiner Equipe eine Vorgehensweise, die offenkundig auf Klischees der heterosexuellen Welt vor 1970 beruhte. Die. Homosexuellen sollten erstens an der Vorliebe für bestimmte Farben, vor allem Violett und Rosa, zweitens an dem Bedürfnis, Fotos von sich selbst aufzuhängen, drittens an einem bestimmten Geruch und schließlich viertens an feuchten Händen und einem zu weichen Händedruck erkannt werden.
    Tatsächlich machte der Visitator mittels dieses Verfahrens etliche Personen ausfindig, doch die wiesen eine derartige Veranlagung größtenteils entrüstet zurück. In der säkularisierten Welt wurden die Methoden des Opus-Die- Visitators mit Humor aufgenommen. »Gut, dass er katholischer Bischof geworden und nicht Arzt geblieben ist. Die armen Patienten, wenn er so seine Diagnosen gestellt hätte«, meinte mein damaliger Hausarzt.
    Hätte man einen der Geistlichen, mit denen ich zum Beispiel im Café »Rico« war, gefragt, ob er schwul sei - so wie der Filmemacher Rosa von Praunheim es gewohnheitsmäßig tut hätte er dies vehement zurückgewiesen, denn schwule Priester darf es ja seit 2005 nicht mehr geben. Wahrscheinlich wäre er sogar noch weiter gegangen. Gerade von Geistlichen, die sich auffällig effeminiert-homosexuell benahmen, hörte ich häufig homophobe Äußerungen. Diese richteten sich vor allem gegen offen und selbstbewusst ihre sexuelle Identität lebende Männer, darunter besonders gegen jene, die damit auch noch publikumswirksam an die Öffentlichkeit traten. Der Mechanismus, der im Zusammenhang mit meiner Polemik gegen Rahner und Vorgrimler ausgeführt wurde, greift offensichtlich auch hier: Eigene Probleme werden auf andere projiziert, um sie dort zu bekämpfen.
    Der Aspekt der Projektion lässt sich noch um eine Dimension erweitern, auf die Peter Bürger in dem erwähnten Beitrag auf der Internetseite der »Initiative Kirche von unten« hingewiesen hat: »Viele kirchliche Komplikationen beim Thema Homosexualität wurzeln in dem Versuch, die eigene >Männlichkeit< rechtfertigend unter Beweis zu stellen.« Da das Bild der Männlichkeit in konservativen Kreisen stark vom Wertekanon einer patriarchalen Gesellschaft bestimmt ist, spielt bei der Bekämpfung eigener homosexueller Neigungen das aggressive Durchsetzen von Machtansprüchen eine zentrale Rolle. Dass gerade Kirchenmänner, die dem Verdacht Vorbeugen wollen, sie seien schwul, innerhalb der Hierarchie nach oben buckeln, um nach unten umso fester zu treten, ist allbekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass die Bereitschaft zum aggressiven Machtstreben - neben der Linientreue - ein entscheidendes Kriterium ist, um in der katholischen Kirche Karriere machen zu können.
    Erstaunt war ich, als mir ein Geistlicher klarzumachen versuchte, man müsse bei der Verachtungswürdigkeit der Homosexualität noch einmal zwischen Homosexuellen, die beim Geschlechtsverkehr aktiv seien, und solchen, die passiv seien, unterscheiden. Auf der untersten Stufe stehe dabei derjenige, der sich »nach Art einer Frau« dem anderen hingebe. Ich hielt das zunächst für einen Spleen des Paters, doch dann fand ich diese ganz offensichtlich aus einer Minderbewertung der Frau herrührende Theorie in dem Werk Homo Apostolicus des wichtigsten Moraltheologen der katholischen Kirche, des heiliggesprochenen Alfons von Liguori , wieder, und mir wurde klar, dass es sich dabei um die offizielle Position der katholischen Moraltheologie handelte.
    Die traditionelle katholische Moraltheologie bietet homosexuellen Klerikern noch ein weiteres Feigenblatt, das ebenfalls eine nicht unbedeutende Rolle spielen dürfte. Ich erinnere mich lebhaft an ein Gespräch mit einem Benediktinerfrater, der während meines Studiums mein Mentor war. Von einem guten Freund wusste ich, dass er mit diesem eine Liaison angefangen hatte. Ich sprach ihn daraufhin an, dass er ja auch schwul sei, was er entsetzt zurückwies. Nur den aktiven und passiven Analverkehr, den er abstoßend finde,

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