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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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zähle die katholische Moraltheologie zu den homosexuellen Handlungen, alles andere falle nicht darunter.
    Solche und ähnliche Feigenblatt-Strategien scheinen sich überall dort prächtig zu entwickeln, wo eine rigide Sexualmoral Menschen gegen ihre Natur einengt. Dies sieht man auch daran, dass sich ähnliche Argumentationsmuster bei amerikanischen Teenagern finden, die sich am Programm »Kein Sex vor der Ehe« beteiligen. Man kann das Versprechen leicht halten, wenn man einfach sehr frei festlegt, was man überhaupt unter Sex verstehen will. Anders ist das Ergebnis der »National Longitudinal Study of Adolescent Health « aus dem Jahr 2008 kaum zu erklären, nach dem amerikanische Teenager, die dieses Gelübde ablegen, sich häufiger Geschlechtskrankheiten zuziehen als ihre gleichaltrigen, nicht an ein Gelübde gebundenen Mitschüler.
    Mit diesen durch die traditionelle Moraltheologie verbürgten Ansichten über Homosexualität geht fast immer eine euphorische Verklärung von (heterosexueller) Ehe und Familienleben einher, die sich gerade aus dem Mund von zölibatär Lebenden besonders paradox ausnimmt. Wenn die Ehe die heiligste Lebensform ist, die man sich vorstellen kann, da sie in der »Familie der Dreifaltigkeit« (Vater, Sohn und Heiliger Geist) und der heiligen Familie von Nazareth (Maria, Josef, Jesus) ihr Urbild und sittlich verpflichtendes Vorbild habe, stellt sich die Frage, warum katholische Priester dann nicht heiraten dürfen. Während eines Besuchs des Rektors der römischen Opus-Dei-Universität, Pater Lluis Clavell, in unserer Kölner Wohnung, erklärte mir der bekannte Philosoph, der inzwischen zum Präsidenten der Päpstlichen Thomas-Akademie aufgestiegen ist: »Gerade dadurch, dass wir im Zölibat auf Ehe und Familie verzichten, drücken wir unsere Hochachtung für diese Institutionen aus.«
    Wir haben gesehen, wie die katholische Kirche systematisch eine für erwachsene Menschen unwürdige Situation schafft, in der sie ihre sexuelle Identität dauernd verschämt leugnen müssen. Dies kam mir erneut in Erinnerung, als die Süddeutsche Zeitung am 20. Juni 2010 die Aussage eines jungen Priesters veröffentlichte, der einen Dialog Bischof Mixas mit einem anderen jungen Priester belauscht hatte. Mixa war mit den beiden Geistlichen in Urlaub gefahren und hatte einen der beiden - am Tag nach einem abendlichen. Zusammentreffen im »Überschwang der Gefühle« - angeblich erneut heftig bedrängt und, als der junge Mann sich zurückziehen wollte, gesagt: »Bleib da, ich brauche deine Liebe.« Darauf der Bedrängte: »Ich bin doch nicht schwul.« Und wieder Mixa: »Ich doch auch nicht!«

Traditionalistische Internetpräsenzen
    Mit Beginn des neuen Jahrtausends gewann das Internet auch im kirchenpolitischen Bereich immer mehr an Bedeutung. Dabei fällt auf, dass offiziell gestartete Internetaktionen kaum Erfolg hatten, während private Initiativen große Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnten. Unter diesen wiederum sind es gerade konservativ-katholisch ausgerichtete Webpräsenzen, die die größten Erfolge erzielen.
    Was reale Netzwerke wie die Piusbruderschaft, die Düsseldorfer Herrenabende oder der Kreis um die Zeitschrift Theologisches noch im Rahmen persönlicher Begegnung, aber hinter verschlossenen Türen praktizierten, das findet nun im weltweiten Netz statt und erreicht einen viel größeren Personenkreis. So wurde die » benedettinische Wende« schon mehrere Jahre vor der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst in der deutschen Öffentlichkeit durch das Internet wirkungsvoll vorbereitet. Die komplizierten, über viele Jahrhunderte entwickelten Reglements, die heute in Rechtsstaaten eine unverzichtbare Rolle für die journalistische Berichterstattung spielen, kommen dabei allerdings kaum mehr zum Zuge.
    Als erste bekanntere katholische Internetpräsenz nahm die Seite kath.net mit Unterstützung Bischof Krenns im Jahr 2001 von Österreich aus ihren Betrieb auf. Betrieben wird sie bis heute von einer Gruppe jüngerer Katholiken, Laien und Priester, die einen dezidiert kämpferischen Katholizismus, verbunden mit einer eigenen, an Medjugorje ausgerichteten Marienfrömmigkeit vertreten. Subventioniert wird die Seite vor allem von dem päpstlichen Hilfswerk »Kirche in Not«, das offensichtlich im Hinblick auf die Finanzierung extrem konservativer Initiativen in ganz Europa eine Schlüsselrolle spielt. Die knapp achtzig Millionen Euro Spendengelder, die das direkt dem Vatikan unterstellte und mit dem

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