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Der heilige Schein

Der heilige Schein

Titel: Der heilige Schein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Berger
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sich von kreuz.net distanziere und die Internetseite kein offizielles Unternehmen der katholischen Kirche sei. Ähnliche Äußerungen kamen auch von den österreichischen und Schweizer Bischöfen. Konsequente zivilrechtliche Versuche der katholischen Kirche, gegen die Seite vorzugehen, sind bisher ebenso ausgeblieben wie kirchenrechtliche Sanktionen gegen deren Macher. Diese könnte man auch ganz allgemein aussprechen, ohne die konkreten Personen namentlich zu nennen. Warum exkommuniziert man nicht einfach in Rom die hinter kreuz.net stehenden Personen? Dies wäre eine unzweideutige und glaubhafte Distanzierung der Amtskirche, die auch auf die Autorenschaft und die Fans der Seite nicht ohne Eindruck bliebe. Stattdessen macht man genau das Gegenteil: Man hebt ohne Not die Exkommunikation eines Bischofs auf, der nahezu alle Thesen von kreuz.net auf ähnlich aggressive Weise vertritt.
    In anderen Fällen ist man mit kirchlichen Strafen wesentlich großzügiger: So wurde etwa der Saarbrücker Theologieprofessor und Priester Gotthold Hasenhüttl 2003 vom Heiligen Stuhl endgültig suspendiert, weil er auf dem Berliner Ökumenischen Kirchentag zusammen mit evangelischen Christen einen gemeinsamen Abendmahlgottesdienst gefeiert hatte. Und er ist nur ein Beispiel von vielen, bei denen mit äußerster Härte gegen modern ausgerichtete Priester und Theologen vorgegangen wird.
    Wie die Hersteller der billigen Turnschuhe, die man unter Markennamen wie » Dadidas « oder » Niker « auf türkischen Touristenmärkten kaufen kann, hat kreuz.net sein Webdesign von der damals noch größeren Schwester kath.net gestohlen. Deshalb wirkt die Internetseite auf den ersten Blick nicht nur technisch professionell gemacht, sondern erweckt auch den Anschein, von frommen, gottesfürchtigen Menschen betrieben zu werden. Im kardinalsroten Kopf-Frame prangt ein liegendes Kruzifix, von dem der gekreuzigte Jesus den Betrachter leidend anblickt. Daneben plakativ in Großbuchstaben der Name der Seite, versehen mit dem Untertitel »Katholische Nachrichten«.

»Homos und Kastraten - ab in die Hölle!«
    In Wirklichkeit ist kreuz.net alles andere als fromm und gottesfürchtig. Nicht nur gegen das zehnte Gebot »Du sollst nicht stehlen« haben die Betreiber der Seite verstoßen, sie verbreiten auch offenkundige Lügen und fordern sogar dazu auf, das Tötungsverbot zu brechen. Der vermeintlich heilige Zweck dieses kämpferischen Katholizismus scheint wirklich alle Mittel zu heiligen.
    So wie die Produktpiraterie in unseren Geschäften keine Chance hat und sich deshalb am Rande Europas abspielt, so hatte sich kreuz.net wohlweislich einen Server in den USA und ein Phantasie-Impressum besorgt. Dahinter stand offenbar die Absicht, dem deutschen Rechtssystem zu entgehen. Da die Internetpräsenz aber aufgrund der vielen Protestschreiben aus Europa und des Engagements amerikanischer Bürgerrechtler wie David Vickrey [50] selbst in den USA Probleme mit dem ursprünglichen Provider bekam, der fundamentalistischen Hasspredigern kein Forum mehr bieten wollte, musste sie sich im Dezember 2008 einen neuen Server suchen, der sich dann schließlich in Kanada fand. Als Vorbild hatte man sich bei der Wahl der neuen Heimat die deutschsprachigen Rechtsradikalen und Neonazis genommen, die ihre Internetpräsenzen häufig in Kanada hosten , wenn ihnen selbst die USA mit ihrer nahezu unbegrenzten Meinungsfreiheit zu eng werden.
    Auch um das Copyright für Fotografien und Textmaterial kümmert man sich wenig: Publiziert wird - meist entsprechend der Aussageabsicht gekürzt und ausgewählt -, was ins Konzept passt. Selbst vor der Erfindung von Nachrichten und Dokumenten schreckt man nicht zurück, wenn man sie kirchenpolitisch gebrauchen kann. So gab der Vatikansprecher Pater Lombardi im Dezember 2009 bekannt, dass ein Dokument, das kreuz.net kurz zuvor als Schreiben der Vatikanischen Gottesdienstkongregation verbreitet hatte, nicht von dieser stamme.
    Doch welches ideologische Konzept steht nun hinter kreuz.net? Vielleicht lässt es sich am ehesten mit dem von meinem Doktorvater Thomas Rüster geprägten Diktum »Wie man Katholik, aber nicht Christ sein kann« zusammenfassen. Der Dortmunder Professor wählte diese Charakterisierung für Julius Langbehns 1890 erschienenes Werk Der Rembrandtdeutsche, über das er in seiner Habilitationsschrift urteilt: »Es enthielt alle die Ressentiments und Vorurteile, die ein halbgebildeter und zutiefst reaktionärer Mensch des ausgehenden 19.

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