Der heimliche Rebell
„Ich bin ein Eierkopf, Purcell. Ich würde Ihnen bloß sagen, diese Bücher seien Literatur. Darum fragen Sie mich besser erst gar nicht.“
„Diese Burschen“, erläuterte Gates, wobei er Allen ins Gesicht atmete, „haben alles hingeschrieben, genauso, wie’s im Zeitalter der Großen Verschwendung war.“ Er hämmerte mit seiner Faust auf einem Buch herum. „Das legt Zeugnis ab. Steht alles genau drin.“
„Aber dann sollte man sie aufbewahren“, sagte Allen. „Man sollte sie nicht mit dem Müll zusammenwerfen. Wir benötigen sie als historische Aufzeichnungen!“
„Sicher“, sagte Sugermann. „Damit wir erfahren, wie das Leben damals war, ja?“
„Sie sind wertvoll.“
„Sehr wertvoll.“
Wutentbrannt sagte Allen: „Sie berichten die Wahrheit!“
Sugermann brüllte vor Lachen. Er holte ein Taschentüchlein hervor und wischte sich die Augen. „So ist es, Purcell. Sie berichten die Wahrheit, die eine und einzige unverbrüchliche Wahrheit.“ Plötzlich hörte er auf zu lachen. „Tom, gib ihm den Joyce. Als kleines Präsent von dir und mir.“
Gates war entsetzt. „Aber der Ulysses ist glatt seine hundert Scheine wert!“
„Gib’s ihm schon!“ Sugermann kehrte seinen knurrigen, groben Altmännerstarrsinn heraus. „Wenn einer es haben soll, dann er.“
Allen sagte: „Das kann ich nicht annehmen; es ist viel zu wertvoll.“ Und, so begriff er, er konnte es gar nicht bezahlen. Er hatte keine zehntausend Dollar. Aber er erkannte auch, daß er das Buch haben wollte.
Sugermann starrte Allen so lange unverwandt an, daß dieser ganz unruhig wurde. „MoRes“, grummelte er endlich. „Keine Geschenke machen, keine Geschenke annehmen. Okay, Allen. Tut mir leid.“ Er raffte sich hoch und ging in den angrenzenden Raum hinüber. „Wie wär’s mit einem Glas Sherry?“
„Echt Spitze, das Zeug“, sagte Gates. „Aus Spanien. Der Echte.“
Sugermann, der mit einer halbleeren Flasche wieder auftauchte, schnappte sich drei Gläser und goß sie bis zum Rand voll. „Zum Wohl, Purcell. Auf die Tugend, die Wahrheit und – “ Er überlegte einen Augenblick lang. „Die Moral.“
Malparto machte sich eine abschließende Notiz und gab dann den Technikern ein Handzeichen. Die Bürobeleuchtung ging wieder an, während das Gitterwerk weggerollt wurde.
Der Patient auf dem Tisch blinzelte, zuckte, bewegte sich schwach.
„Und dann kamen Sie zurück?“ fragte Malparto.
„Ja“, sagte Mr. Coates. „Ich trank drei Gläser Sherry und flog dann zurück nach Newer York.“
„Und weiter passierte nichts?“
Mit einer sichtlichen Anstrengung setzte Mr. Coates sich auf. „Ich kam zurück, stellte den Splitter ab, holte die Werkzeuge und den Eimer mit der roten Farbe und schändete die Statue. Ich ließ den leeren Farbeimer auf einer Bank stehen und ging heim.“
Die erste Sitzung war vorbei, und Malparto hatte absolut nichts herausgefunden. Seinem Patienten war rein gar nichts widerfahren, weder auf Hokkaido noch vorher; er war ein paar Jungen begegnet, hatte versucht, eine Flasche Scotch zu kaufen, hatte ein Buch gesehen. Das war alles. Und es gab keinen Sinn.
„Sind Sie jemals psi-getestet worden?“ erkundigte sich Malparto.
„Nein.“ Sein Patient kniff die Augen vor Schmerz zusammen. „Ihre ganzen Drogen haben mir wahnsinnige Kopfschmerzen gemacht.“
„Es gibt da ein paar Routinetests, denen ich Sie gerne unterziehen möchte. Vielleicht nächstes Mal; für heute ist es doch ein bißchen spät.“ Er hatte sich mittlerweile zu dem Entschluß durchgerungen, die Erinnerungstherapie zu beenden. Es hatte keinen Wert, längst vergangene und vergessene Ereignisse und Erfahrungen wieder an die Oberfläche zu holen. Von jetzt an würde er mit Mr. Coates’ Geist arbeiten, nicht mit dessen Inhalten.
„Irgend etwas herausgekriegt?“ fragte Mr. Coates und erhob sich steif.
„Einiges. Eine Frage: Ich möchte allzugern wissen, welche Auswirkungen Ihre Tat hat. Wie sehen Sie…“
„Sie bringt mich in Schwierigkeiten.“
„Ich meine nicht die Auswirkungen auf Sie, sondern auf die MoRes-Gesellschaft.“
Mr. Coates dachte lange darüber nach. „Keine. Außer, daß sie der Polizei etwas zu tun gibt. Und die Zeitungen haben etwas, worüber sie schreiben können.“
„Was ist mit den Leuten, die die geschändete Statue gesehen haben?“
„Die sieht doch keiner; sie ist verhüllt worden.“ Mr. Coates rieb sich das Kinn. „Ihre Schwester hat sie gesehen. Und ein paar Legionäre auch; sie
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