Der Heiratsspezialist
so …«, sagte Erika.
»Alle Flüsse gluckern.«
»Aber ich kann nicht schlafen.« Sie setzte sich ans Fenster, faltete die Hände im Schoß und wirkte auf einmal sehr zerbrechlich. »Außerdem heirate ich zum erstenmal. Wenn es auch nur ein Geschäft ist – etwas Besonderes ist es trotzdem. Heirat bleibt Heirat. Ich muß dich um etwas bitten, Bob. Wenn wir drüben in Las Vegas sind, mußt du gemein zu mir sein.«
»Um Himmels willen – nein!«
»Du mußt, Bob! Du mußt mir helfen, daß es mir nicht schwerfällt, mich von dir zu trennen! Du mußt mich soweit bringen, daß ich sage: Gott sei Dank! Das Ekel bin ich los!«
»Ob mir das gelingt?« Bob kämmte sich mit gespreizten Fingern die Haare. »Wir brauchen uns nur an den Vertrag zu halten, Erika.«
»Der Vertrag! Papier und leere Worte! Es gibt Dinge, die man mit keinem Paragraphen regeln kann!« Erika hob den Kopf. Ihr Blick war ein Streicheln auf seiner Haut und tat ihm gut. »Denkst du auch an General Wellington?«
Bob zuckte zusammen. »Nein!« sagte er rauh.
»Was er jetzt wohl tut?«
»Er schnarcht. Möpse schnarchen mit Leidenschaft, habe ich gelesen. Wollen wir jetzt gemeinsam um General Wellington weinen?«
»Gut, sehr gut!« Erika erhob sich. »Das ist der richtige Ton, mein Liebling! Auf diese Weise wirst du mich schnell los.«
Als die Tür hinter Erika zuklappte, blieb Bob zerknirscht zurück, schimpfte sich einen turmhohen Idioten und konnte nun auch nicht weiterschlafen, weil der Rhein gluckerte.
Am Frühstücksbüfett begrüßte sie Hans-Jakob Müllegan, doch hielt er sich zurück, als er sah, wie Bob und Erika sich gegenseitig bedienten und anstrahlten, so wie man es von einem Paar, das knapp eine Stunde vor der Hochzeit stand, erwartete. Später wandte sich Bob in der Empfangshalle unter vier Augen an den Hotelier.
»Ich brauche Blumen«, sagte er. »Schnellstens.«
»Rote Rosen?« fragte Müllegan.
»Ich glaube ja. Die nimmt man doch?«
»Gewöhnlich. Mit Seidenschleife?«
»Muß das sein?«
»Es gibt dem Strauß noch mehr Festlichkeit. Normalerweise heiratet man ja nur einmal.«
Bob lächelte mild, entschied sich für die Seidenschleife und ging zum Tisch zurück.
Um halb elf fuhren sie mit der Autofähre über den Rhein. Am Steuer saß Bob und neben ihm Erika, die roten Rosen mit Seidenschleife an die Brust gedrückt. Eine Braut, um die man Bob beneiden konnte.
Aber bei Hochzeiten geschieht nicht selten Unvorhergesehenes. Als die Fähre auf der Mehlemer Seite anlegte und die Wagen die Uferböschung hinaufbrausten, gab Erikas Auto keinen Ton mehr von sich. Bob drehte den Zündschlüssel – vergeblich. Hinter ihnen hupten die Autofahrer. Ein Billettverkäufer kam übers Deck auf sie zu.
»Wat is los?« rief er. »Jas jeben!«
»Er rührt sich nicht!« rief Erika und stieg aus. Ihre Rosen legte sie auf das Autodach.
»Wie sind Se denn raufjekommen?«
»Da ging er noch!«
»Verreckt!« rief Bob durch das Fenster. »Sorry … uir uollten heiraten …«
»Deshalb!« sagte der Mann von der Fähre. »Da kann me nix machen …«
Er dirigierte die anderen Wagen um Bob herum; schließlich stand nur noch ihr Auto auf der Fähre. »Und wat nun?« sagte der Fährmann. »Erop dröcke könne mer da Wajen nit, äwer stonnblieve kann er och nit. Su jet han isch noch nit erläv …«
»Was sagt er?« fragte Bob entsetzt. »Was ist denn das für eine Sprache?«
»Es ist Kölsch. Wir können hier nicht stehenbleiben …«
»Wo soll der Wagen hin? Er rührt sich nicht.«
»Er rührt sich nicht!« sagte Erika zu dem Mann von der Fähre. »Aber um elf Uhr heiraten wir. Wir müssen pünktlich sein. Sie müssen den Wagen an Bord behalten, bis wir wiederkommen.«
»Und dann fäht der widder?«
»Wenn wir beten …«
»Ne Kraftfahrzeugmeschaniker ist sicherer.« Der Mann von der Fähre hatte eine gute Idee. »Während Sie heiraten …« sagte er mit bemühtem Hochdeutsch, »laß isch den Wagen in de Jäng bringen … Vill Jlück, Madämche …«
Da es sich nicht lohnte, eine Taxe zu rufen, gingen Bob und Erika zu Fuß zur amerikanischen Botschaft. Sie trug den Rosenstrauß wie bei einer Prozession, und die Leute nickten ihnen freundlich zu. Sie waren ein schönes Paar, da gab es nichts zu rütteln.
Untergefaßt näherten sie sich der Botschaft. Als sie die amerikanische Fahne auf dem großen Gebäudekomplex sahen, blieb Erika stehen und legte den Kopf an Bobs Schulter.
»Gleich ist es soweit …« sagte sie leise.
Bob nickte.
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