Der Heiratsspezialist
heftiger atmete und ihre Brust sich unübersehbar hob und senkte. »Unser Hochzeitsmahl wartet!«
»Muß das sein? Das ist doch absurdes Theater.«
»Wir würden den netten Herrn Müllegan bitter enttäuschen. Wie lieb er den Tisch dekoriert hat! Für einen Hotelier wie ihn ist ein Hochzeitspaar geradezu eine Herzensangelegenheit! Hellt ja auch den tristen Alltag auf … Immer nur Durchreisende oder Vertreter, die Spesen sparen wollen, immer nur Pensionsgäste, die bei schlechtem Wetter sauertöpfisch herumsitzen, oder Stammgäste, die mit dem neuesten Klatsch unterhalten werden wollen. Welch eine Freude, mal ein Hochzeitspaar bewirten zu dürfen! Erika, wir müssen hinunter. Absagen geht nicht; das können wir Herrn Müllegan nicht antun.«
»Also gut – spielen wir die teure Komödie weiter.« Erika erhob sich, stellte die roten Rosen zu den anderen Blumen in die Vase und glättete ihr Kleid. »Ich bin die verrückteste Schauspielerin der Welt! Für eine Rolle zahle ich 51.500 DM!« Sie blieb vor Bob stehen und sah ihn kopfschüttelnd an. »Ich will diese Jenny nicht sehen!«
Diese Bemerkung kam so überraschend, daß Bob keine passende Antwort einfiel. Etwas lahm entgegnete er: »Das läßt sich nicht vermeiden. Sie arbeitet ja im Ice-Saloon.«
»Telegrafier ihr, ruf sie an, mach, was du willst! Wenn ich nach Las Vegas komme, ist sie nicht mehr im Haus!«
»Das ist undurchführbar, Erika! Jenny gehört zum Saloon!«
»Bis heute! Ab heute gehöre ich dorthin. Ich bin deine Frau!«
»Auf dem Papier!«
»Bin ich Papier?« Sie drehte sich vor ihm, es sah komisch aus, so ernst sie es auch meinen mochte. Bob gestand sich ein, daß Erika von allen Seiten anzuschauen war. »Diese Jenny ist dein Verderben!«
»Du kennst sie ja gar nicht!«
»Ich spür es!«
Diese weibliche Logik entwaffnete Bob. Gegen Gefühle gibt es keine Argumente … man kann da nicht mehr mit rationalen Beweisen kommen. Wenn eine Frau sagt: Ich fühle das, dann ist das endgültig und muß anerkannt werden, will man sich nicht auf einen aussichtslosen Kampf einlassen.
»Wo kommt sie überhaupt her, diese Jenny?« fragte Erika spitz.
»Ich habe sie von Onkel Steve geerbt … mit dem Ice-Saloon. Sie gehört zum Inventar.«
»Dann richten wir uns neu ein und werfen das alte Inventar hinaus! – Wie sieht Jenny aus?«
»Lange blonde Haare, weißblond.«
»Gebleicht!« Sie schnippte mit den Fingern. »O ich kenne diese Mädchen aus Filmen und Illustrierten. Puppengesichtchen, große Kulleraugen, Schmollmündchen …«
»Genau!« rief Bob. »Das ist Jenny! Und wenn sie geht, schwingt sie die Hüften!«
»Ekelhaft!« unterbrach ihn Erika. »Hör auf!«
»Sie hat einen wundervollen Busen.«
»Schöner als meiner?« Sie reckte sich.
Bob betrachtete sie und nickte. »Größer.«
»Ich möchte keine Amme sein!« Sie wandte sich ab und öffnete die Tür. »Gehen wir! Ich habe keine Angst vor dieser Jenny! Aber verhindere, daß ich sie sehe!«
Im Foyer der Rheinterrasse faßte sie Bob unter, und sie schmiegte sich an ihn. Verstört blickte er zur Seite. Erika ging plötzlich anders als sonst. Sie wippte etwas, drückte die Brust heraus und wackelte mit dem Po.
Hans-Jakob Müllegan eilte ihnen entgegen. Aus einem in die Decke eingebauten Lautsprecher erklang Musik von Johann Strauß; der Oberkellner gab zur Küche hin einen Wink. Es konnte serviert werden. Eine köstliche würzige Sauerampfersuppe wurde aufgetragen.
Nach dem Hochzeitsmahl, zu dem einer der zungenküssenden Mülleganschen Weine serviert worden war, stand man vor der Frage, wie man den Nachmittag verbringen sollte. Wenn man jung verheiratet ist und ein so schönes Doppelzimmer besitzt wie Erika und Bob, erübrigen sich solche Fragen eigentlich. Herr Müllegan war deshalb bei aller gebotenen Diskretion und Zurückhaltung erstaunt, als Bob sich erkundigte:
»Was kann man jetzt unternehmen? Schlagen Sie uns mal etwas Schönes vor.«
»Da wäre ein Besuch des Waldfriedhofs«, sagte er zögernd.
»Am Tag der Hochzeit?« Bob lächelte schief.
»Oder eine Rheinfahrt mit einem der weißen Schiffe. Das ist immer lohnend.«
»Das ist eine gute Idee!« sagte Bob. »Der Rhein ist zwar nicht der Mississippi, aber immerhin …«
Fröhlich kamen Bob und Erika am Abend zurück, Arm in Arm, mit windzerzausten Haaren. Sie hatten bereits auf dem Schiff gegessen, was Herr Müllegan insgeheim befürchtet hatte. Jetzt tranken sie nur noch eine Flasche Wein, ließen sich den Schlüssel geben
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