Der Heiratsspezialist
Titel war: Hamburg bei Nacht – Die Seele von St. Pauli. Bob wunderte sich, daß anscheinend ganz Hamburg nur aus Bars, Sextheatern, Bordellen und Kontaktcafés bestand. Die Lektüre stimmte ihn nachdenklich. Selbst Massagesalons hatten da eine andere Bedeutung.
»Die Deutschen sind ein rätselhaftes Volk!« sagte er zu Sheriff Brass und McDolland. »Bei denen ist alles anders. Wenn du hier einen halben Hahn bestellst – was bekommst du dann?«
»Idiotische Frage!« sagte Brass. »Einen knusprigen halben Hahn.«
»Am Rhein nicht. Ich habe einen bestellt! Was haben sie gebracht? Ein Roggenbrötchen mit Schweizer Käse und Senf! So was steht in keinem Reiseführer.« Bob tippte auf das Hamburg-Buch. »Las Vegas ist schon verrückt genug, aber in Hamburg, da kann man sich die Mädchen im Schaufenster aussuchen.«
»Das haben die Deutschen in Thailand gelernt«,sagte Sheriff Brass. »In Bangkok soll es ja ganze Straßen geben, wo die Weiber –«
»In Hamburg auch!« Bob Brook kratzte sich den Kopf. »Ob Hamburg der richtige Ort für unsere Zwecke ist?«
»Du kannst es ja mal versuchen.« Richter de Trajano nahm das Buch und blätterte darin herum. Die Fotos und Zeichnungen ließen der Phantasie kaum noch Spielraum, so eindeutig waren sie. »Die müssen da eine gute Organisation haben«, sagte er. »Eine ganze Stadt voller Sexschuppen … ich möchte da kein Richter sein! Dagegen ist ja Las Vegas ein Erholungsort.«
Mit sehr gemischten Gefühlen flog Bob Brook zehn Tage später nach Hamburg. Jennys Tränen und Ermahnungen begleiteten ihn; sie gebärdete sich wie eine GI-Frau, deren Mann in den Dschungel versetzt wird, hing an seinem Hals und küßte ihn ab. Was Bob unangenehm auffiel, war das dumme Grinsen von Harry Sandler, dem Vetter, und die offensichtliche Euphorie seiner drei Freunde, die den Eindruck erweckten, daß sie den Abflug Bobs kaum noch erwarten konnten. Im Flugzeug überfiel ihn dann wieder das unangenehme Gefühl, daß Jenny mit ihm allein eigentlich doch ein sehr klösterliches Leben führte. Erika schien recht zu haben: Jenny war auf die Dauer nichts für einen Mann wie Bob, der in den wenigen stillen Stunden, die ihm vergönnt waren, in Tschaikowskij-Partituren las und nichts von Romanen hielt, in denen auf Hunderten von Seiten immer neue Variationen der Horizontalen abgehandelt werden. Wenn Jenny mit vibrierender Stimme zu ihm sagte: »Du, Bob, hör einmal zu, was die da schreiben. Ist ja toll! Ich les dir's vor, Schatz!« – dann überkam ihn manchmal die helle Angst, sie könnte sagen: »Bobbymaus, das könnten wir doch auch mal ausprobieren …«
Das größte Rätsel aber blieb für Bob, wie Onkel Steve das ausgehalten hatte, in einem Alter, in dem andere Männer sich nach Pantoffeln, einer geruhsamen Flasche Bier und einem gut funktionierenden Fernsehgerät sehnen. Vielleicht war diese Bewunderung fehl am Platz, und Jennys vulkanisches Temperament entsprang nur einer bisher ungestillten Erwartung, die nun Bob, den Erben, mit der Gewalt eines Naturereignisses traf. Wie dem auch sein mochte, der Gedanke an Jenny, Harry und die drei Freunde trug nicht zur Aufheiterung bei.
Dafür lernte Bob an der Bordbar im Flugzeug, wo er nachts um ein Uhr seinen Kummer begoß, einen Hamburger kennen. Der Mann, der Fritz Reißmann hieß und sich als Exportkaufmann vorstellte, war sehr erstaunt, als Bob ihn fragte, ob es in Hamburg auch vernünftige Straßen gäbe. Er kramte sein Buch über Hamburg hervor, Fritz Reißmann überflog es, bekam einen kleinen Lachanfall, spendierte Bob einen Wodka-Lemon und fragte dann:
»Wie wollen Sie wohnen, Mr. Brook?«
»Standesgemäß«, antwortete Bob.
»Das kann man vielfach auslegen. Hotel? Privat? Eigene Wohnung? Wie lange gedenken Sie in Hamburg zu bleiben?«
»Vielleicht vierzehn Tage, ich weiß es nicht. Meine Geschäfte lassen keine Prognosen zu. Höchstenfalls vier Wochen.«
»Müssen Sie repräsentieren?« fragte Fritz Reißmann.
»Nicht wie ein Ölscheich.«
»Darf ich nach Ihrem Beruf fragen?«
»Ich vermittle Kontakte«, sagte Bob ausweichend.
Damit war wenig anzufangen, aber Fritz Reißmann nannte trotzdem drei gute Hotels an der Alster, die geeignet waren, den richtigen Rahmen für einen amerikanischen Geschäftsmann abzugeben.
Auf dem Hamburger Airport verabschiedeten sie sich wie gute Freunde. Fritz Reißmann wurde abgeholt und fuhr in einem dicken Wagen davon. Bob nahm ein Taxi, nannte eine der Hoteladressen und hatte Glück, daß dort ein
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