Der Heiratsspezialist
gewinnen Dinge, die man in München übersieht, andere Dimensionen. Die Kriminalität in Hafenstädten ist bekanntlich groß; was in Marseille oder Hongkong passiert, ist in Braunlage/Harz oder in Lindau am Bodensee schier unmöglich, obgleich auch Lindau einen Hafen besitzt! So ist es zum Beispiel nicht ausgeschlossen, daß ein Amerikaner wie ein schlaksiger Tourist in einem renommierten Hamburger Hotel absteigt und dort in der Maske eines Biedermannes einen schwungvollen Mädchenhandel aufbaut, einen Prostitutionsring oder etwas ähnliches Unanständiges. So hielt es auch Herr Matzkow nicht für normal, daß der Fußboden seines Zimmers 34 mit Mädchenfotos übersät war.
Bob sortierte vier Stunden lang. Wie in München war auch hier wieder viel Unnützes dabei: Reklame, Angebote von Privatclubs – hier übertraf Hamburg die bayerische Metropole –, Lockrufe von Fotomodellen und Hostessen, Bilder von weiblichen Wesen aller Altersstufen – es war, als habe Hamburg nur darauf gewartet, daß ein Mann wie Bob Brook auftaucht, um eine bislang erstarrte Weiblichkeit in Aufruhr zu versetzen.
Am Abend saß Bob am Tisch, hatte drei Fotos neben sich liegen und wartete, bis der Zimmerkellner das bestellte Pfeffersteak à la Madagaskar serviert hatte.
»Noch drei!« verkündete der Kellner Herrn Matzkow in der Direktion. »Auf dem Tisch liegen nur noch drei Fotos. Die Briefe stecken wieder im Postsack. Er hat Whisky getrunken. Vier Fläschchen stehen auf dem Kühlschrank.«
»Er muß es sein!« Eberhard Matzkow hatte mit Hilfe seines Assistenten alle Hamburger Zeitungen der letzten Woche durchgeblättert und war dreimal auf ein gleichlautendes Inserat gestoßen. Junger Amerikaner, soeben eingetroffen … Die Zeitungen lagen jetzt vor ihm, die Anzeigen waren mit Rotstift eingekreist.
»Kaum glaublich, daß eine so dusselige Anzeige eine solche Resonanz hat! Wir werden den Burschen genau im Auge behalten.«
Bob Brook benahm sich mustergültig, weshalb die Beobachter noch mißtrauischer wurden. Am sechsten Tag erhielt er nur noch sechs Briefe, am siebten einen einzigen. Aber der hatte es in sich!
Die Tage verbrachte Bob damit, Hamburg kennenzulernen. Er machte eine Alsterrundfahrt, besichtigte den Hafen, bummelte durch die Einkaufsstraßen, besuchte St. Pauli am Tag und stellte fest, daß Las Vegas unschlagbar war, denn während St. Pauli im Sonnenlicht geradezu brav wirkte, etwas abgegriffen, schwerliderig, ein verschmiertes Clowngesicht, behielt Las Vegas auch tagsüber seinen faszinierenden, fütternden, aufreizenden, lockenden, hypnotischen und magnetischen Glanz, ratterten die Spielautomaten, dröhnten die Musikboxen, rotierten die riesigen Reklamefiguren, drängten sich Menschen durch Spielkasinos und Hallen, Tag und Nacht, ohne Unterbrechung, ohne Luftholen, ohne je zur Ruhe zu kommen. Las Vegas war der vollkommene Verlust des Zeitbegriffs, das vollendete Perpetuum mobile. Davon war Hamburg noch weit entfernt. Bob blätterte noch einmal das Buch durch, das ihm der Buchhändler in Las Vegas gegeben hatte, und warf es dann mit der Bemerkung »Idioten!« in den Papierkorb.
Der Brief vom siebten Tag, der letzte, enthielt kein Foto. Er war unterzeichnet mit ›Juliane Hatzle‹ und lautete:
»Ich bin 51 Jahre alt, von Beruf Post-Inspektorin, gebürtige Stuttgarterin, seit sechs Jahren verwitwet. Hatzle ist mein Geburtsname – mein Mann hieß Theodor Plöck. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, daß ich nach Amerika will, um Amerikanerin zu werden. Darüber sollten wir sprechen …«
Das war alles in einem perfekten Englisch geschrieben, klar und nüchtern.
Hier lockten keine Reize; es ging um ein Geschäft. Bob analysierte den Brief genau, bevor er antwortete: Witwe, 51 Jahre alt, will in die USA. – Eine Gefahr wie bei Erika war nicht zu erkennen. Schon das Alter schaltete solche Komplikationen aus. Zwar gab es in Las Vegas Siebzigjährige, die aussahen wie muntere Mittdreißiger und für kosmetische Chirurgen Reklame liefen, aber solche starr lächelnden Masken kamen für Bob nicht in Frage. Wer eine Jenny bei sich zu Hause weiß, ist gegen eine noch so attraktive Juliane Hatzle gefeit.
Bob rief die angegebene Nummer an. »Hier ist Bob! Hallo!« sagte er. »Ich habe Ihren Brief und glaube, wir könnten miteinander klarkommen.«
»Was wollen Sie, Bob?« fragte eine energische Stimme zurück. Bob zuckte beim ersten Ton zusammen. Julianes Stimmumfang erinnerte ihn schmerzhaft an Dorthy Swaskoe. Die war
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