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Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zimmer frei war. Ein schönes Zimmer mit Alsterblick, kleinem Balkon mit Geländer aus weißlackiertem Schmiedeeisen und einer Einrichtung von solider Qualität, die an die Gründerjahre erinnerte. Ein Zimmer, das die Seriosität seiner Bewohner unterstrich.
    Schon zwei Tage später stand in den Hamburger Zeitungen seine Lock-Anzeige: Junger Amerikaner … Bob hoffte auf ein gutes Echo. Hamburg war ganz anders, als das Buch es geschildert hatte. Nach einer Stadtrundfahrt war Bob verblüfft und begeistert zugleich. Deutschland war ein schönes Land; was er bisher von ihm gesehen hatte, entsprach ganz und gar nicht der amerikanischen Vorstellung von Old Germany. Man mußte durchaus nicht jede Uniform grüßen, oder strammstehen, wenn einen ein Polizist ansprach. Die Leute waren freundlich, hilfsbereit und völlig normal. Keiner schrie ihn an: »Was, du bist ein Ami? Heil Hitler!« Irgendwie mußten die amerikanischen Comic-Schreiber und gewisse Journalisten in Gebieten Deutschlands gewesen sein, die Bob noch nicht kannte. Als er in seinem Hotel einmal zaghaft danach fragte, ob man irgendwo noch Nazis treffen könne, sah man ihn skeptisch an. Von nun an behandelte man ihn mit äußerster Vorsicht, als habe er Bomben in den Taschen. Ich werde darüber schreiben, dachte Bob mit viel Sinn für Gerechtigkeit. Ein paar klare Artikel für unsere Zeitungen. Selbst Allen Brass sieht die Deutschen völlig falsch; ihre Kopfkissen sind durchaus nicht mit schwarz-weiß-roten Bezügen bespannt. Sie sind Menschen wie wir.
    Am vierten Tag seines Hotelaufenthaltes in Hamburg klingelte morgens das Telefon. Der Portier war am Apparat. »Sir, Sie müssen bitte runterkommen!« sagte er aufgeregt. »Ich weiß nicht, ob das stimmt – die Post bringt für Sie einen ganzen Sack voll Briefe …« Neben Ärzten, Rechtsanwälten, Priestern, Steuerbeamten und Taxifahrern gehören auch Hotelportiers zu den bewundernswerten Wesen, die einen Menschen so behandeln, als baue die Natur noch an ihm herum und sei noch gar nicht fertig. Auch der Portier von Bobs bürgerlich-vornehmem Hotel akzeptierte die Erklärung, der Postsack sei kein Irrtum, sondern es habe alles seine Richtigkeit und vielleicht käme noch mehr, mit der gelassenen Würde eines Mannes, dem der Hoteldienst die Seele gegerbt hat. Bob gab dem Briefträger zehn Mark Trinkgeld, die dieser zwar annahm, dabei aber mit dem Portier einen Blick wechselte, der zur Vorsicht und Aufmerksamkeit ermahnte.
    »Lauter Briefe mit Chiffre!« sagte der Postbeamte, als Bob mit dem Postsack – leihweise bis morgen früh – im Lift wieder nach oben gefahren war. »Von drei Zeitungen! Da wird ein Ding vorbereitet …«
    In München hatte Bob die Post selbst abgeholt; hier in Hamburg kam sie auf seinen Wunsch direkt ins Hotel. Dies erwies sich bald als ein Fehler, denn ein normaler Mensch, der ein Hotelzimmer bezieht, verhält sich unauffällig und erlaubt sich höchstens die Entgleisung, ein weibliches Wesen auf sein Zimmer zu schmuggeln. Eine derartige Ausnutzung bezahlter Gastfreundschaft gehört zum Hotelalltag. Wenn ein Gast aber säckeweise Post empfängt und vorher bei der Anmeldung gesagt hat, er wisse noch nicht, wie lange er bleiben werde – zwei oder drei Wochen oder auch über einen Monat –, dann wird ein Hotelier doch mißtrauisch. Im Grunde sind Dauermieter angenehm, man spart den täglichen Wäschewechsel im Zimmer, kann mit der Tagesmiete disponieren und damit rechnen, daß der Gast auch ab und zu im hoteleigenen Restaurant ißt und Getränke aus dem Zimmerkühlschrank nimmt. Anders sieht das aus, wenn ein Ausländer – in diesem Fall ein großer, ziemlich unbeholfen wirkender Ami – in seinem Hotelzimmer inmitten eines Berges von Briefen auf dem Teppich sitzt, einen Brief nach dem anderen aufschlitzt und mit Fotos spielt.
    »Lauter Frauen!« berichtete das Zimmermädchen, das zum Bettenmachen gekommen war und Bob inmitten seiner Briefe überrascht hatte. »Ich schwöre es – lauter Frauen! Das ist doch nicht normal!«
    Franzi, das Zimmermädchen, eine Grazerin mit Stupsnase, wurde zum Bericht in die Hoteldirektion gebeten. Eberhard Matzkow, der in bester Hotelierstradition immer geneigt war, den Gast bei aller Verrücktheit zunächst einmal als zahlendes und damit geschäftsförderndes Individuum zu betrachten, hörte sich schweigend an, was auf Zimmer 34 geschah, und beschloß dann, Mr. Brook im Laufe des Tages in ein unverbindliches Informationsgespräch zu verwickeln. In Hamburg

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