Der Heiratsspezialist
Dinner mit Jenny im Desert Inn von Las Vegas. Bob Brook, du bist ein Scheißunternehmer! Du solltest wirklich wieder in der Kirche Orgel spielen und in deinem Zimmer das Trompetenkonzert von Purcell. Im Konzertsaal will dich ja auch keiner hören. Du bist schon eine traurige Figur, Bob Brook! »Gehen wir?«
Juliane nickte, hängte sich bei ihm ein und legte den Kopf gegen seine Schulter. Sie duftete betörend nach einem schweren französischen Parfüm, reif wie sie selbst.
»Ich bin glücklich!« sagte sie leise.
Bei lauem Wind über dem rauschenden Strom auf den Rheinterrassen zu sitzen, satt und fröhlich, einen sonnengoldenen Wein vor sich – was bedarf es da langer Worte? Juliane genoß die Stimmung sichtbar, strahlte Bob an und setzte sich in Positur, als Hans-Jakob Müllegan mit dem Fotoapparat erschien, um die Bilder für sein Prominentenalbum zu schießen. Er arbeitete wie ein Profi mit konzentrierter Freude, wechselte die Blickwinkel, blitzte nach oben, um ein weicheres Licht zu bekommen, und strahlte vor Begeisterung, als Juliane plötzlich Bobs Hand ergriff und an ihren Busen drückte. Welch ein Motiv! Der dem Tode Entronnene und seine Retterin. Am Vorabend der Hochzeit.
Schweigen wir auch von der Nacht, in der Juliane wartete und wartete, ein Taschentuch zerbiß, sich mit dem Gedanken quälte, ob sie vielleicht zu Bob hinüberschleichen sollte, dann zu weinen begann, am Fenster saß, über den nächtlichen Rhein zum mondbeschienenen Rolandsbogen blickte, um drei Uhr morgens Bob einen Schuft nannte und sich nackt vor den Spiegel stellte, der ihr eine makellose Figur zeigte – es war eine schreckliche Nacht zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Liebe und Haß, die damit endete, daß Juliane sich schwor, als Mrs. Brook in Amerika andere Saiten aufzuziehen. Dann schlief sie schluchzend ein, bis das Telefon sie weckte.
»Aufstehen, Juliane!« Es war Bobs fröhliche Stimme. »Um elf Uhr wird geheiratet! Dann steht dir Amerika offen … und dein Erbe!«
Beim Frühstücksbüfett zeigte Hans-Jakob Müllegan bereits die fertigen Vergrößerungen. Rastlos hatte er in der Nacht noch entwickelt, gefiltert, vergrößert und gewässert. Die Bilder waren gestochen scharf und sehr kontrastreich. »Hervorragend!« sagte Bob ehrlich. Der Glanz in Müllegans treuen Augen verriet Stolz. Unter das beste Foto schrieb Bob den Satz: »Wer dem Leben wiedergegeben ist, genießt es doppelt, am Rhein bei Müllegan zu sein.«
Müllegan war so gerührt, daß ihm die Dankesworte fehlten. Und das will etwas heißen.
In der amerikanischen Botschaft, bei Konsul Nesswick, wurde Bob Brook erwartet wie ein berühmter Baseball-Spieler. Das Trauungszimmer war voller Gäste; die Sekretärinnen, an denen er vorbeikam, kicherten oder blinzelten ihn an, Clifford Nesswick begrüßte ihn wie einen Bruder und stellte ihn dem Botschafter, dem General und dem CIA-Mann vor. Natürlich kümmerte man sich auch um Juliane, aber sie blieb im Hintergrund. Eine Ordonnanz servierte Sekt mit Orangensaft, aus dem Club brachte man Sandwiches und Salate.
Fast eine Stunde lang erzählte Bob von seiner Entführung, kam durch den Sekt in Stimmung und war geradezu in Hochform, als Nesswick sagte:
»Nun wollen wir mal daran denken, warum wir hier sind. Es soll eine Ehe geschlossen werden. Ein Band soll geknüpft werden, so hart wie Stahl, durch nichts zu zerbrechen …«
Es war eine feierliche, ergreifende Rede. Bob und Juliane unterschrieben die Trauungsurkunde, gaben sich den obligatorischen Kuß, und dann wurde Bourbon serviert, um nach Männerart kräftig anzustoßen. Der Botschafter und die anderen Herren gratulierten, fanden Juliane Brook, wie sie jetzt hieß, entzückend, erschraken aber doch, als im Laufe der kleinen Feier und bei steigendem Alkoholkonsum ihre Trompetenstimme erschallte, vor allem, wenn sie über Witze lachte, die der General ihr mit listigen Äuglein erzählte.
Nesswick schien so etwas vorausgeahnt zu haben. Weder Juliane noch Bob waren in der Lage, das Auto zurückzufahren. Ein großer Cadillac der Botschaft brachte sie mit der Fähre über den Rhein zum Hotel ›Bellevue‹, während ein Botschaftsangestellter Julianes Kleinwagen hinterherfuhr.
Hotelier Müllegan, dem das vorbereitete Hochzeitsessen bereits verdorben war, denn es war jetzt fast vier Uhr nachmittags, bewies rheinische Toleranz, ließ Bob und Juliane in ihr Doppelzimmer bringen und strich auch das Abendessen aus seinem Plan. Unruhig wurde er erst, als ihm
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