Der Heiratsspezialist
Müllegan dumm an.
»Ich glaube, in deinem Sinne gehandelt zu haben, indem ich dich noch in der Nacht habe abreisen lassen. Per Taxi nach Bonn und dann mit unbekanntem Ziel.«
»Halleluja!« sagte Bob und setzte sich schwer aufs Bett. »Das hast du ihr gesagt?!«
Müllegan spürte ein Kribbeln unter der Hirnschale. »War das falsch?« fragte er stockend. Seine treuen Augen bekamen einen entsetzten Ausdruck. »Ich dachte, nach Lage der Dinge, so wie ich sie kenne … wie du sie mir geschildert hast … Ich dachte wirklich, daß ich dir damit helfe …« Müllegan klimperte nervös mit den Schlüsseln. »Ich kann aber immer noch sagen, daß ich mich geirrt habe …«
»Ich bin also offiziell weg?« fragte Bob.
»Ja.«
»Für immer weg?«
»Das habe ich nicht gesagt. Für immer – das ist deine Entscheidung. Du bist im Augenblick weg!« Zweifellos entwickelte Müllegan diplomatisches Talent. Wer soviel mit Diplomaten zu tun hat, wächst selbst in solche Rollen hinein. »Alles andere ist noch offen.«
»Fabelhaft! Hans-Jakob, fabelhaft! Du bist ein wahrer Freund!«
Bob klatschte in die Hände, blickte aus dem Fenster auf den im Morgenlicht wieder dreckigen Rhein. »Vielleicht ist das die beste Lösung. Juliane hat, was sie wollte … eine amerikanische Aufenthaltsgenehmigung. Und ich bin im Augenblick gerettet. Nur das Geschäft ist geplatzt. Verstehst du das?«
»Nein!« sagte Müllegan ehrlich.
»Nur eine Frage noch, Hans-Jakob: Muß ich mich schämen?«
»Worüber?«
»Sie hat für mich 200.000 Mark bezahlt … und ich danke es ihr, indem ich einfach verschwinde. Das ist doch schofel …«
Müllegan schwieg. Er hat natürlich recht, dachte er. So benimmt man sich nicht einer Frau gegenüber, die so viel für einen getan hat. Sie meinte es ehrlich … aber, zum Teufel, warum hat Bob sie überhaupt geheiratet? Man heiratet doch nicht, um gleich wiederwegzulaufen! Irgend etwas war an der Sache unlogisch.
Müllegan, ein Mann, der an die Gesetze der Logik glaubte, blickte Bob Brook nachdenklich an. »Die Sache ist verfahren, was?« fragte er ahnungsvoll.
»Irgendwie – ja!« Bob betrachtete ein kleines Ausflugsschiff, das mit fröhlich flatternden Fähnchen rheinaufwärts stampfte. »Ich bin kein Jurist, aber ich glaube, es gibt da Probleme. Kann man sich scheiden lassen, ohne daß der Ehepartner dabei ist? Gibt es das überhaupt, wenn ich sage: Meine Frau ist verschwunden, irgendwo in Amerika, ich möchte geschieden werden! – Das geht doch gar nicht. Die Scheidungsurkunde muß ihr doch zugestellt werden, sonst lebt sie ja als Ehefrau weiter. Hans-Jakob, das ist vielleicht kompliziert! Zu einer Scheidung gehören immer zwei. Und ich muß geschieden werden, sobald ich wieder in Las Vegas bin. Mein Geschäft bricht sonst zusammen.«
Müllegan verstand gar nichts mehr, rettete sich in imposantes Schweigen, blickte nachdenklich die Wand an und tat so, als denke er angestrengt nach. Dann sagte er endlich: »Also mußt du wieder auftauchen.«
»Was Besseres fällt dir nicht ein?«
»Nein. Geh runter in die Halle … da sitzt deine Frau im Sessel und weint …«
»Das ist unmöglich.«
»Daß sie weint?!«
»Nein, daß ich runtergehe. Weinende Frauen zwingen mich in die Knie. Ich kann Tränen nicht widerstehen. Ich sage dir, wenn Jenny weint, dann könnte ich winseln wie ein Hund. Ich bin ein sensibler Mensch, Hans-Jakob.« Bob löste sich vom Fenster und vom Anblick des Rheins. »Ich fliege heute noch nach Frankfurt und morgen weiter nach New York und Las Vegas.«
»Also doch!« Müllegan erhob sich. Er liebte klare Entscheidungen und fühlte sich wie befreit. »Ich lasse dir das Frühstück aufs Zimmer bringen und bestelle ein Taxi. Von Bonn nach Frankfurt fahren ständig Züge.«
Bob nickte. »Ich werde Juliane einen Brief schreiben«, sagte er plötzlich. »Du bringst ihn ihr …«
Müllegan zuckte zusammen. Instinktiv spürte er die Gefahr, die ein Zusammenstoß mit Juliane Brook bedeuten würde. Das mußte vermieden werden; ein Hotelier ist, bei aller Freundschaft, nicht dazu da, anderer Leute Familienkräche zu bestehen. Der tägliche Umgang mit exzentrischen Gästen kostete schon Nerven genug.
»Wo soll der Brief denn herkommen?«
»Du hast ihn in der Rezeption gefunden … jetzt erst gefunden … Ich habe ihn dort gestern nacht hinterlegt.«
»Das glaubt deine Frau nie!«
»Sie weint. Also glaubt sie alles!« Bob lächelte unsicher. »Hans-Jakob, wenn du ein echter Freund bist
Weitere Kostenlose Bücher