Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
Angehörigen der menschlichen Rasse in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr zu atmen sein wird. Trotz aller Korrekturmaßnahmen ist ersichtlich, dass der Zuwachs der Luftverseuchung und der Treibhauseffekt bereits vor einiger Zeit einen irreversiblen Zustand geschaffen haben, und dass es jetzt unvermeidbar ist, während die Gasemissionen früherer eingelagerter Schadstoffe sich ständig fortsetzen, vor der Schwelle haltzumachen, bevor wir unter das tiefstmögliche Sauerstofflimit geraten werden – und zwar zu Lebzeiten der Enkel der jetzt auf die Welt kommenden Kinder.
Da wir nicht über die Kapazität zu einem Makromanagement unserer Erdatmosphäre verfügen, um sie in ihren vorindustriellen Reinheitszustand zurückzuführen, angesichts der sich unvermeidlich fortsetzenden Belastung der Atmosphäre mit Kohlenwasserstoffen, die in unverantwortlicher Weise im 19. und 20. Jahrhundert in den Ozeanen und festen Landmassen der Erde eingeschlossen wurden, haben wir uns hier am Santachiara statt dessen zu dem Versuch entschlossen, durch Mikro-Management das menschliche Genom so zu verändern, dass es den kommenden drohenden Bedingungen angepasst ist. Es werden verschiedene Adapto-Pläne von unterschiedlicher Komplexität erarbeitet, aber ich vertrete die wohlerwogene Überzeugung, nachdem ich eine gründliche Analyse des gesamten Santachiara-Programms in seiner derzeitigen Konzeptionsform durchführte, dass wir uns leider auf ein Programm der halben Maßnahmen festgelegt haben, die unweigerlich zum Scheitern verurteilt sind, und …«
Herrgott, dachte Rhodes. Der sagt mir das glatt ins Gesicht – und grinst noch dabei!
Für den Augenblick hatte er mehr als genug von dem Kerl. Er schlug auf die Taste, und Van Vliet verschwand.
Sofort meldete sich die Vermittlung: »Ms. Martine wartet auf Eins.«
Dankbar für die Unterbrechung holte Rhodes sie auf den Visor. Isabelle, Kopf- und Brustbild, tauchte vor ihm auf. Isabelle, eine schlanke, intensive Frau mit seltsam widersprüchlichen Zügen. Scharfe funkelnde grauviolette Augen; eine feingeformte Nase; weiche volle Lippen; nichts passte so recht zusammen. Im letzten Frühling hatte sie sich eine vulkanrote Haartönung zugelegt, und Rhodes war noch immer nicht so recht daran gewöhnt.
Sie kam sofort zum Thema, brüsk und ohne Umschweife wie gewöhnlich. »Was war das mit dem Dinner heut' Abend mit einem Israeli, Nick? Ich dachte, wir fahren nach Sausalito und …« Sie brach plötzlich ab. »Nick? Du siehst so komisch aus. Nick!«
»Wirklich? Komisch, wie denn?«
»Dein Gesicht ist ungewöhnlich gespannt. Deine Pupillen sind geweitet. Du hast Schwierigkeiten, ja?«
Isabelle erkannte stets rasch irgendwelche somatischen Veränderungen bei ihm. Aber schließlich gehörte das zu ihrem Beruf als Kinesiktherapeutin. Sie beherrschte die Körpersprache, als wäre sie damit geboren. Man konnte ihr nie etwas verheimlichen. Seit zweieinhalb Jahren sahen sie einander nun regelmäßig, und die Leute begannen bereits zu fragen, wann sie heiraten würden.
Sie bedachte ihn mit einem ihrer einfühlsamen besorgten Therapeutenblicke: Mama Isabelle, eifrig bemüht, ihn von seinen Kümmernissen zu befreien. Sag es mir doch, mein Süßer. Erzähl's mir alles, dann fühlst du dich bestimmt besser …
Rhodes sagte: »Es war ein anstrengender Morgen, Lady. Vor ein paar Tagen reichte mir einer von den Jungs hier den gottverflucht absurdesten Adapto-Vorschlag rein, der mir je unter die Augen gekommen ist. Eine absolut revolutionäre Idee. Und heute konnte ich mich zum ersten Mal mit den Virtuals beschäftigen, die er mir reingereicht hat, und ich habe die Hälfte durch, aber ich bin zu durcheinander, um weiterzumachen.«
»Wie kommt das?«
»Zum Teil, weil das Zeug dermaßen radikal ist. Es würde auf diese Extremmaßnahmen hinauslaufen, die du immer so befürchtet hast, somatische Adaptation des Menschen von Grund auf, nicht bloß eine rasche Behelfslösung. Und zum Teil auch, weil seine Präsentation dermaßen rotzfrech ist. Gleich zu Beginn sagt er quasi, wir anderen seien alle so hoffnungslos konservativ, dass wir hier am besten möglichst schnell kündigen und ihm das Laboratorium überlassen sollten.«
»Konservativ? Du?«
»Für den Laden hier, ja. Jedenfalls, ich bin noch nicht ganz soweit, dass ich mir von einem Jungen, der halb so alt ist wie ich, mehr oder weniger deutlich sagen lasse, es sei Zeit, dass alte Knacker wie ich Platz machen und aufhören, die Lösung des Problems zu
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