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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Amalgamated Bank of Liechtenstein‹.
    Juanito verzog die Stirn. »Liechtenstein. Ist das ein Land auf der Erde?«
    »Doch. Ja. Ein sehr kleines. Zwischen der Schweiz und Österreich.«
    »Schweiz, davon habe ich schon mal gehört. Du lebst auf Liechtenstein?«
    »Nein«, sagte der Mann Farkas. »Meine Bank ist dort. In Liechtenstein würden wir auf der Erde übrigens sagen. Außer bei Inseln. Aber Liechtenstein ist keine Insel. So, aber was meinst du, könnten wir jetzt endlich von hier rauskommen?«
    »Nur noch ein Transfer«, sagte Juanito. »Pumpe mir deine Einreise-Software rüber. Gepäckscheine, Pass, Visa. Damit wird es für uns beide einfacher, und wir kommen schneller von hier weg.«
    »Und ich würde es dir ganz leicht machen, mit meinem Gepäck zu verschwinden, nicht? Und ich würde dich nie wiederfinden können, stimmt's?«
    »Denkst du wirklich, ich würde sowas tun?«
    »Es wäre für dich einträglicher, wenn du es nicht tun würdest.«
    »Du musst deinem Kurier Vertrauen entgegenbringen, Mister Farkas! Wenn du deinem Kurier nicht vertrauen kannst, dann darfst du keinem in Valparaiso Nuevo trauen.«
    »Das weiß ich«, sagte Farkas.
     
    Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis sie Farkas' Gepäck und ihn selbst durch den Zoll gebracht hatten, und die unterschiedlichen Bestechungen beliefen sich auf etwa zweihundert Callies, so der gewöhnliche Durchschnitt. Von den Androiden, die das Gepäck aushändigten, bis zu der kessen Person am Geldwechselschalter – alle mussten geschmiert werden. Juanito hatte gehört, dass es auf den meisten übrigen bewohnten Welten nicht so funktionierte; aber Juanito wusste auch, dass Valparaiso Nuevo anders war als die Welten sonst. An einem Ort, dessen Haupteinnahmen darin bestanden, Flüchtlingen Schutz zu bieten, musste die Ökonomie zwangsläufig auf dem Umsatz von Bestechungsgeldern basieren.
    Farkas allerdings wirkte überhaupt nicht wie die üblichen Flüchtigen. Während sie auf das Gepäck warteten, nahm Juanito sich den Software-Print vor, den der Blinde ihm herübergepumpt hatte, und sah, dass Farkas ein auf sechs Wochen beschränktes Besuchsvisum hatte. Als Arbeitgeber war eine Firma namens Kyocera-Merck, Ltd. angegeben. Also war der Mann ein Sucher, ein Fahnder, kein Flüchtling, und gekommen, um offenbar hier jemanden aufzuspüren, den eine der wichtigsten Megafirmen der Erde gefunden wissen wollte. Jäger, Gejagter – für einen Kurier waren beide Sorten ein einträgliches potentielles Geschäft. Jemand aufspüren, das war zwar normalerweise nicht Juanitos Ding, aber er würde sich anpassen, dachte er.
    Die zweite Sache, und die störte ihn mehr, war, dass Farkas sich nicht wie ein Blinder verhielt. Er hatte keine sichtbaren Augen, schön, aber das schien ihn nicht daran zu hindern, seine Umgebung wahrzunehmen. Als sie aus der Zollschleuse traten, wandte er sich um und deutete auf das riesenhafte Porträt von El Supremo. »Wer ist das? Euer Präsident?«
    »Der offizielle Titel lautet: Der Beschützer, Der Generalissimo, El Supremo, Don Eduardo Callaghan. « Und dann dämmerte es Juanito, und er blinzelte verwirrt und fragte: »Vergib mir, Mister Farkas, aber – du kannst das Bild sehen?«
    »Gewissermaßen, ja.«
    »Da komm ich nicht mit. Kannst du sehen, oder kannst du nicht?«
    »Ja und nein.«
    »Allerbesten Dank, Mister Farkas.«
    »Wir können uns später ausführlicher darüber unterhalten«, sagte Farkas.
     
    Seine Dinko-Neuzugänge steckte Juanito immer in ein bestimmtes Hotel, das ›San Bernardito‹, vier Kilometer von der Zentralnabe entfernt im Außenbezirk Cajamarca. »Hier lang«, sagte er zu Farkas. »Wir müssen zum Lift im C-Arm.«
    Farkas schien ihm mühelos folgen zu können. Ab und zu sah Juanito sich um, aber der große Mann war stets drei, vier Schritte hinter ihm und folgte ihm unbeirrt durch den Gang. Er hat keine Augen, dachte Juanito, aber er kann irgendwie sehen. Bestimmt kann der irgendwie sehen.
    Die Vierkilometerfahrt im Transporter des C-Arms an die Peripherie ist wirklich von Anfang bis zum Ende sensationell. Der Lift war eine gläserne Kabine, die durch eine Glasröhre an der Außenwandung der Speiche dahinglitt, und man hatte dabei einen atemberaubenden Blick auf den ganzen raffinierten Maschineriekomplex, aus dem die künstliche Welt Valparaiso Nuevo in ihrer Umlaufbahn um die Erde bestand. Die sieben gewaltigen Speichen, die von der Nabe, vom Mittelpunkt, zum entfernten Rand des Rades führten … und in jedem

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