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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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mir bedeutet es etwas. Und für zweidimensionales Sehen von Bildern benutze ich eine anders geartete Technik. Schau, die Welt ist voll von Informationen, die man nutzen kann. Über das mit den Augen Sichtbare hinaus, wenn man das will. Und ich will es.«
    »Du benutzt irgendeinen Apparat, um die Information aufzufangen?«, fragte Juanito.
    Farkas tippte sich gegen die Stirn. »Hier drin. Ich bin damit geboren.«
    »Ein anderes Sinnesorgan, statt der Augen?«
    »Ja. Das kommt der Sache recht nahe.«
    »Aber was siehst du dann wirklich? Wie sehen Gegenstände für dich aus?«
    »Wie sehen sie für dich aus?«, fragte Farkas. »Wie sieht beispielsweise ein Stuhl aus?«
    »Also, er hat vier Beine – und eine Rückenlehne …«
    »Und wie sieht ein Bein aus?«
    »Also, es ist viel länger als dick.«
    »Genau.« Farkas kniete sich hin und strich mit den Händen über die schwarzen Röhrenbeine des hässlichen kleinen Sitzmöbels neben dem Bett. »Ich betaste den Stuhl, ich fühle die Form der Beine. Aber ich sehe keine beinförmige Gestalt.«
    »Was denn dann?«
    »Silberkugeln, die in weiten Kurven verlaufen. Die Rückenlehne des Stuhls hat Gelenke und lässt sich zusammenklappen. Das Bett ist eine helle quecksilbrige Pfütze, aus der lange grüne Stacheln ragen. Du selbst bestehst für mich aus sechs blauen übereinandergelagerten Kugeln, die durch einen dicken orangeroten Schlauch verbunden sind. Und so weiter.«
    »Blau?«, murmelte Juanito. »Orange? Wie kannst du Farben bezeichnen?«
    »Ganz genauso wie du. Ich bezeichne etwas als blau, etwas anderes als orange. Ich habe keine Ahnung, ob sie auch nur entfernt dem entsprechen, was für dich blau oder orange ist, aber was macht das? Mein Blau bleibt für mich blau. Es unterscheidet sich von der Farbe, die ich als rot empfinde, und von meinem Grün. Orange bleibt für mich konstant mein Orange. Es ist eine Frage der Bezugssysteme. Kannst du mir folgen?«
    »Nein«, gestand Juanito. »Wie ist es überhaupt möglich, dass man sich damit zurechtfindet und irgendwas begreift? Was du siehst, hat doch überhaupt nichts mit den wirklichen Farben und Formen oder der Anordnung von irgendwas zu tun.«
    Farkas schüttelte den Kopf. »Falsch, Juanito. Für mich ist das, was ich wahrnehme, eben einfach die Realität, die echte Wirklichkeit und Gestalt und Farbenzuordnung. Ich habe nie etwas anderes gekannt. Und wenn man mir jetzt per Retrofitting, einem neuen Verfahren, das, wie man mir sagt, weniger als fünfzig Prozent Erfolgschancen hat und außerdem scheußlich riskant ist, normale Augen geben könnte, würde es mir sehr schwerfallen, wenn ich versuchte, mich in eurer Welt zurechtzufinden. Ich würde Jahre brauchen. Oder es vielleicht nie lernen. Aber ich komme in meiner Welt ganz gut zurecht. Ich verstehe, wenn ich Dinge berühre, dass das, was ich in meiner Blindsicht ›sehe‹, nicht die tatsächliche Form ist. Aber ich sehe festgelegte Äquivalente. Verstehst du das? Für mich sieht also ein Stuhl immer so aus, wie ich mir einen Stuhl vorstelle, obwohl ich weiß, dass Stühle ganz und gar nicht so geformt sind. Wenn du die Dinge so sehen könntest, wie ich sie sehe, würde dir das vorkommen, als stammten sie alle aus einer anderen Dimension. Und es ist ja auch wirklich aus einer anderen Dimension. Das Informationsmaterial, auf das ich mich verlasse, ist anders als das, was du benutzt, weiter nichts. Aber auf meine Art kann ich ›sehen‹. Ich nehme Dinge wahr und kann sie zueinander in Beziehung setzen. Ich erfasse räumliche Befindlichkeiten, genau wie ihr. Verstehst du, Juanito?«
    Juanito überlegte. Es klang so absurd. Die Welt zu sehen wie in den Zerrspiegeln einer Juxbude … blasige Kleckse, Kugeln, orangefarbene Kabelstränge und glitzernde quecksilberne Tümpel. Unheimlich, das alles, ja richtig unheimlich. Nach einer kurzen Weile sagte er: »Und du bist so geboren?«
    »Richtig.«
    »Eine genetische Panne?«
    »Nein, keine Panne«, sagte Farkas leise. »Es war ein Experiment. Ein Super-Genchirurg, der mich im Bauch meiner Mutter bearbeitet hat.«
    »Aha«, sagte Juanito. »Weißt du, eigentlich habe ich mir das gleich gedacht, als ich dich aus dem Shuttle kommen sah. Das muss irgendwie von einer Genspleißung stammen, habe ich mir gedacht. Aber wieso …« Juanito versagte die Stimme. »Ist es zu schwer für dich, darüber zu reden?«
    »Nein, nicht sehr.«
    »Wieso haben deine Eltern erlauben können …?«
    »Sie konnten nicht anders, Juanito.«
    »Aber –

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