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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Glamour umhüllt; jetzt sagte er sich, dass sie möglicherweise absolut untalentiert war, vielleicht nicht einmal über irgendwelche primitiven Voraussetzungen verfügte, ganz bestimmt nicht über gesunden Menschenverstand, sondern nur die übliche unmodern gewordene, hochgestochene Vernissage-Kunstweibchen-Beflissenheit, die hier um die Bay aus einer weit entfernten Vergangenheit herübergerettet worden zu sein schien. Und das mit der Hymne und der Bitte um Schutz für den Planeten verursachte Carpenter regelrecht Bauchschmerzen. Da explodierte ringsum die Zukunft im Blitztempo, und diese Frau brabbelte noch immer Beschwörungssprüche aus einem vergangenen Jahrhundert.
    Trotzdem, sie war eine attraktive Frau. Allerdings, Rhodes hatte ihn ja gewarnt, dass sie verkorkst war, und der sollte es ja vielleicht wissen.
    Isabelle sprang ein, während Rhodes bereits die nächste Runde Drinks bestellte, und wollte mehr über Enrons Zeitschrift erfahren, ob sie israelisch erschiene, oder arabisch, oder zweisprachig. Und Enron erklärte ihr – wahrscheinlich mit für ihn enormem Takt –, dass die Landessprache in Israel Iwrith heiße, nicht Israeli, und dann erklärte er geduldig, dass Cosmos selbstverständlich – wie alle bedeutenden weltweiten Zeitschriften – vorwiegend mit englischem Text erscheine. Aber die Leser hätten selbstverständlich per einfachem Knopfdruck die Wahl, sich die Artikel in der ihnen erwünschten arabischen oder Iwrithfassung auf den Visor zu holen. So unglaublich es ihr erscheinen möge, sagte Enron, es gebe noch immer ein paar Leute in den fernsten Winkeln der riesigen judäo-islamischen Welt, die bisher noch immer nicht perfekt des Englischen mächtig seien.
    »Hauptsächlich wohl bei den Arabern, vermute ich«, sagte Isabelle. »Es gibt doch noch immer massenhaft rückständige Araber, oder? Leute aus dem Mittelalter in einer High-Tech-Welt?«
    Der Versuch, zu schmeicheln, war dermaßen offenkundig, dass Enron nur mit einem verächtlichen Blitzen der Augen und einem ganz flüchtigen nichtssagenden Lächeln reagierte. »Tatsächlich ist es nicht so, Ms. Martine. Die wirklichen echten Araber sind alle recht gescheite Leute. Man sollte wirklich lernen, zwischen Arabern und arabisch sprechenden Leuten zu unterscheiden, weißt du. Ich bezog mich vorwiegend auf unsere Leser in den ländlichen Gebieten im Nordsudan und in der Sahara, die arabisch sprechende Moslems sind, aber ganz gewiss keine Araber im echten Sinn.«
    Isabelle wirkte verwirrt. »Wir wissen hier wirklich so wenig darüber, wie es anderswo auf der Welt aussieht.«
    »Ja, so ist es«, sagte Enron. »Ein echter Jammer, dieser Inselprovinzialismus in diesem Land. Amerika tut mir leid. Ignoranz ist in diesen unseren Zeiten gefährlich. Besonders die Art Ignoranz, die sich in triumphaler Selbstgefälligkeit äußert.«
    »Vielleicht sollten wir jetzt bestellen«, warf Rhodes etwas gezwungen ein. »Wenn ich ein paar Vorschläge machen dürfte …?«
    Er machte mehr als nur ein paar. Doch Carpenter bemerkte, dass Enron überhaupt nicht auf Rhodes hörte. Sein Blick ruhte bereits auf der Speisenkarte, und er hatte seine Wünsche längst in das Datensystem des Restaurants eingegeben, ehe Rhodes fertig war. Carpenter fand, dass der Typ einen gewissen ätzenden Charme besaß; er war großartig in seiner groben Überheblichkeit, hatte all das an sich, was man über die Arroganz und den Mangel an Höflichkeit bei Israelis gehört hatte – er war praktisch das Bühnenklischee des Israeli, ein tapferes aggressives Kerlchen, so voller übertriebenem Selbstwertgefühl, dass man zu glauben beginnen konnte, es sei nur gespielt. Und dennoch, man musste die Intelligenz respektieren, diese spezifische ethnische quecksilbrige Anpassungsfähigkeit, den besonderen spielerischen Witz des Mannes. Ein Ekel, sicher, aber ein amüsantes Ekel, wenn man auf so etwas anspringt. Carpenter tat es.
    Aber trotz allem, ein ekelhafter Kerl. Spielte da wie eine Katze mit den Mäusen, mit dem armen, arg bedrängten Nick und der armen nervösen Isabelle und der armen doofen Jolanda. Und er genoss seine Überlegenheit über die drei denn doch ein wenig zu unverhohlen. Vielleicht galt ja dieser Enron bei sich zu Hause in Tel Aviv und unter seinen Leuten als ein taktvoller und höflicher, sogar angenehm freundlicher Mensch; doch hier, mitten unter diesen barbarischen Goyjim, schien er es nötig zu finden, mit jedem Wort, das er von sich gab, Punkte zu sammeln. Eigentlich

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