Der Held und die Feuergöttin
würde. Doch auch daran vermochte Kauna nun nicht mehr zu glauben. Wenn die Tukken hier waren, so waren sie auch im Berg. Sie bereiteten sich darauf vor, ganz Tau-Tau zu erobern, und jene, die davon wußten, hatten keine Möglichkeit mehr, die Frauen und Männer im Dorf zu warnen.
Kauna hielt Nura im Arm und strich sanft durch das Haar der Toten. Nuras Körper war grausam verstümmelt, doch ihre Augen blickten ungebrochen. Bis zuletzt hatte sie gekämpft.
»Wir können nichts tun«, flüsterte Kauna verbittert. »Gar nichts. Wir können nur warten, bis sie die Steine mit ihren Krallen lösen.«
»Ramoa hat sie gerufen«, knurrte einer der Krieger. »Sie allein ist schuld an unserem Unglück.«
»Jetzt sollte sie den Berg sein Feuer speien lassen«, sagte ein anderer zerknirscht, »und die Dämonenbrut darin ersticken.«
Kauna sah zu ihm auf. Selbst ihre an ewige Dämmerung und Dunkelheit gewöhnten Augen vermochten die Gesichter der Männer nur schwer auszumachen. Nicht einmal eine Fackel konnten sie anzünden. Der Rauch würde sie in ihrem Gefängnis ersticken.
Das wäre vielleicht ein gnädiger Tod.
»Ramoa…«, murmelte Kauna.
»Sie soll tausend Tode sterben für das, was sie über uns gebracht hat!« knurrte ein Krieger.
»Sie kann die Winde nicht beeinflussen«, flüsterte Kauna, als hätte sie ihn gar nicht gehört. »Ich habe einmal ein Gespräch zwischen Manea und der Stammesmutter belauschen können. Ramoa verfügt nicht über die Macht, die wir ihr zusprechen. Sie kann die Glut des Berges nur gegen die Dämonen schleudern - oder aber es nicht tun.«
»Was meinst du, Kauna?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Daß sie vielleicht nie etwas anderes tat, als was du eben sagtest. Daß sie nur versuchte, die Tukken durch das Feuer des Vulkans zu vernichten, nachdem sie sie entdeckte…«
»Aber dann… darf Honga sie nicht töten!«
»Es ist zu spät«, sagte Kauna. »Zu spät für alles...«
Und sie erkannte den schrecklichen Fehler, den Loana und die Weisen Frauen gemacht hatten, als sie den Männern und auch Honga von Ramoas angeblicher Macht erzählten, um sie vor der Feuergöttin zittern zu lassen und so gefügiger zu machen.
6.
Es war, als wären in Alton besondere Kräfte erwacht, die Tod und Verderben über das dämonische Leben brachten. Mythor stand breitbeinig und schwang die Klinge, wirbelte blitzschnell herum, als Tukken sich in seinen Rücken schleichen wollten, und wich geschickt ihren vorschnellenden Krallenhänden aus. Bald war der Boden zu seinen Füßen von schwarzem Blut bedeckt, in dem die Toten lagen. Aber die Übermacht war zu groß. Immer mehr Purpurne tauchten aus den Stollen auf und schienen vom Fels ausgespien zu werden. Diesmal genügte es nicht, einen oder zwei von ihnen auszuschalten. Sie kamen aus der Luft, schmetterten ihm ihre Flughäute entgegen und brachten ihn allein durch ihr Gekreisch an den Rand des Wahnsinns.
Und zwischen ihnen krochen die farblosen Kreaturen heran, die sich auch durch Schwerthiebe nicht besiegen ließen. Wo Alton sie teilte, flossen sie wieder zusammen oder schoben sich als zwei neue Wesen heran.
Nur die weißen Zwerge hielten sich fern. Sie verteilten sich auf die Felsnischen und schienen die sechsarmigen Frauengestalten zu beschwören.
Mythor kämpfte wie ein Berserker, doch es war ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte. Alton sang und klagte in seinen beiden Händen, doch für jeden toten Tukken erschienen zwei neue. Immer wieder mußte Mythor springen, als die farblosen Alptraumgeschöpfe Tentakel ausbildeten, die nach seinen Füßen griffen. Dann sah er nur noch eine Möglichkeit. Der Gedanke kam ihm urplötzlich, aus der alles andere überlagernden Angst geboren, von einem Strahl aus dem glühenden Auge der Statue getroffen zu werden.
Er mußte in ihren Rücken gelangen, dorthin, wo das Auge ihn nicht erreichen konnte.
Mythor vollführte noch einmal eine Drehung, um sich die von hinten kommenden Gegner vom Halse zu schaffen, und riskierte einen Ausfall. Die Statue, deren »Gesicht« ihm schräg zugewandt war, mochte gut zwei Dutzend Mannslängen entfernt sein. Dreißig, vierzig Laufschritte bis in ihren Rücken, und bei jedem einzelnen mußte er damit rechnen, in das rote Licht gebadet zu werden. Was immer die Statue beherbergte - es sah, was um sie herum vorging, und es würde schnell seine Absicht erkennen.
Alles oder nichts! dachte Mythor verzweifelt.
Er fintierte, täuschte vor, zum Stollen zurückrennen zu wollen.
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