Der Held und die Feuergöttin
Stalaktiten aus erstarrter Lava abbrechen und wie gewaltige Speerspitzen neben und hinter Mythor herabstürzen, wo sie einige der Tukken trafen, die sich in diesem Augenblick wieder zu rühren begannen. Es waren jene, die vom roten Licht gestreift und scheinbar dabei getötet worden waren. Nun scheuten sie nicht mehr davor zurück, sich der Statue zu nähern. Die Wände glühten abwechselnd rot vom Magma im Krater und weiß von den Blitzen der Göttin, die jetzt alle Register ihrer Macht zog, um Mythor an dem zu hindern, was als einziges ihr dämonisches Dasein beenden konnte.
Diese Gewißheit war es, die den Sohn des Kometen anspornte, die ihn klettern ließ wie nie zuvor in seinem Leben. Ein Fuß über den anderen, eine Hand über die andere. Er war auf halber Höhe der Statue und blickte nur nach oben, zum mächtigen Kopf des Standbilds, zu den gewaltigen Schultern.
Plötzlich wurde das Seil heftig gerüttelt. Mythor schrie auf und klammerte sich fest. Seine Füße lösten sich vom schwarzen Stein und baumelten in der Luft. Unten hatten zwei Tukken das Seilende gepackt und schwangen es wild hin und her. Mythor wurde von der Statue fortgetragen, hing für einen Herzschlag bewegungslos in der Luft, in dieser Hölle aus Lichtern, Kreischen und Geschrei und herabfallenden Steinen, um dann den Rücken des Standbilds viel zu schnell auf sich zukommen zu sehen. Er schrie wieder, und bevor die Tukken ihn gegen den schwarzen Stein schmettern konnten, hatte er die Füße ausgestreckt und milderte so federnd den Aufprall. Die Purpurnen kreischten wie besessen und zerrten das Seil erneut von der Statue fort. Mythor aber hatte seinen Schrecken überwunden und kletterte, bis er zum zweitenmal wie ein lebender Glockenschwengel gegen das Standbild schlug. Fast riß es ihm die Schulter aus dem Rücken. Aber er kannte keinen Schmerz mehr. Wieder wurde er fortgerissen, wieder hallte das Gekreisch der Tukken in seinen Ohren. Doch als er diesmal zurückschwang, war er auf der Höhe der Schultern. Kurz bevor er das Standbild erreichte, ließ er das Seil los und flog, alle viere weit von sich gestreckt, mit dem erhaltenen Schwung auf das rechte Schulterblatt der Göttin. Er landete hart auf dem Bauch, glaubte für einen schrecklichen Augenblick, zuviel Schwung erhalten zu haben und über den glatten Stein direkt in die Arme der Statue rutschen zu müssen. Dann lag er still.
Das Gekreische erstarb. Plötzlich war nur noch sein eigener Herzschlag zu hören und dann und wann das Geräusch in die Höhe spritzenden Magmas im Hauptkrater. Mythor blieb liegen, nahe an seinem Ziel. Um so bedrohlicher aber wirkte jetzt diese Stille um ihn herum.
Darin begriff Mythor.
Auch der Schauergesang der Zwerge war verstummt.
Mythor mußte sich zwingen, den Kopf so zu drehen, daß er die Felsnischen sehen konnte. Und er glaubte, daß ihm das Blut in den Adern gefrieren müßte, als er sah, daß zwei von ihnen leer waren. Im Lichtstrahl des Auges bewegten sich zwei der Sechsarmigen auf die Statue zu, noch unbeholfen und schlafwandlerisch, während die übrigen fünf sich zu rühren begannen. Ihre Arme peitschten wie Schlangen durch die Luft, in einem ganz bestimmten Auf und Ab, das bei längerem Hinsehen den Geist verwirrte.
»Nein!« schrie Mythor. »Nein!« Seine eigene Stimme hallte durch das Gewölbe, und sie Mang hohl und nicht menschlich. Mythor wendete den Blick von den Sechsarmigen ab, drehte den Kopf und sah hinter dem Rücken der Statue eine Gestalt aus einem Stollen treten. Und hatte er geglaubt, daß die Schrecken dieses Ortes durch nichts mehr zu übertreffen waren, so zweifelte er jetzt an seinem Verstand, als er Mauni erkannte, die dabei gewesen war, als er als Honga im Heldenhaus der Tau erwachte. Und Mauni, die Honga hatte töten lassen, steckte mit dem Kopf unter einem Fraß.
Sie sah ihn ebenfalls, und Oniak, der in diesem Augenblick auch aus einem Stollen trat, wußte nicht zu sagen, wer von beiden entsetzter war.
*
Sie hatte den Ruf der Schwarzen Göttin vernommen - ob in ihr selbst oder durch den Fraß, konnte ihr gleichgültig sein. Wichtig war nur, daß Kanea-Um-Boro sie zu sich rief, und das immer drängender.
Mauni lief, als ginge es ums eigene Leben, und in gewissem Sinne war dem auch so. Sie mochte spüren, daß ihr eigenes Schicksal mit dem der Göttin untrennbar verbunden worden war. Dabei machte es Kanea-Um-Boro nichts aus, wenn Mauni starb. Sie würde sich neue Dienerinnen holen, und wenn sie weitere
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