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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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gewesen. Mit ihrer hartnäckigen Weigerung hatte sie
sein heiliges Werk, die Tradition seiner Amtsvorgänger fortzusetzen,
zunichtegemacht. Alle Institutionen, sogar Graf Simon, würden fortan mit
Unbehagen auf ihn blicken.
    Immerhin war es
zumindest mit dem Reichtum der Hermessens fortan vorbei. Er grinste schadenfroh
bei dem Gedanken, dass seine Diener auf seinen Befehl hin das Barbierbecken
entfernt hatten. Ohne das Wahrzeichen seiner Zunft würde Hermann Hermessen nie
wieder als Chirurgus in Lemgo praktizieren können, seinen Lehrling hatten die
Leute wegen des üblen Leumundes weggejagt, und sein Besitz war beinahe
vollkommen durch die Kosten des Prozesses aufgezehrt. Für Hermessen, den
Barbier, mochte die Hexe noch schön sein, doch ihrem gemeinsamen Leben hatte er
die Schönheit genommen. Fortan würde ihr jedermann die Hexe ansehen. Die
Zauberin war gezeichnet, von ihm gebrandmarkt für die Ewigkeit. Barhäuptig mit
glanzlosen Augen, hageren, leidenden Zügen, in einem aschgrauen Büßergewand und
mit gebrochenen Beinen, die in von Meister David gezimmerten Schienen steckten.
    Plötzlich lachte er
lauthals auf, sodass Krieger erschrocken herumfuhr und ihn gerade noch auffing,
als er rücklings in den Sessel fiel. Auch Roleman kam herbeigestürzt und beugte
sich über ihn. Der Brief war dem Richter aus den Händen geglitten, dicke
Schweißperlen bedeckten seine Stirn. Er röchelte nach Luft und griff sich mit
beiden Händen an den Kopf. Krieger hob den Brief auf und wollte ihn im Rock
verschwinden lassen, doch Cothmann röchelte leise: »Lege Er ihn zu den Akten,
mein Freund. Es ist vorbei.« Mit Unterstützung Kriegers richtete er sich auf
und befahl dem Henker: »Meister David, Ihr bringt die Hexe zum Schlagbaum, dass
sie unsere Stadt nie wieder betreten und Unheil stiften kann.«
    Als Leben in den
Scharfrichter kam und er nach Marias Arm griff, stellte sich Hermann vor sie.
»Ich bin ihr Ehemann«, fauchte er unwirsch. »Meine Ehefrau mit Euren unreinen
Händen zu berühren steht Euch nicht mehr zu.«
    Zum Richter gewandt
sagte er mutig zum Abschied: »Hoher Richter, seid versichert, dass ich es
bereue, die Stadt Lemgo jemals mit meinen Augen gesehen zu haben. Ich hätte
mich, wie es mir von den Herren nahegelegt worden ist, von meiner Frau scheiden
lassen oder auf und davon gehen können. Doch ich habe ihren
Unschuldsbeteuerungen immer Glauben geschenkt und nicht denen ihrer Peiniger,
die ihr nachblasen, dass sie ungeachtet der ausgestandenen Torturen gleichwohl
eine Hexe ist. Ich fand es meinem Gewissen gegenüber verantwortlich, meine
geliebte Ehefrau nicht zu verlassen. Und auch wenn sie durch die Universitäten
der Landesverweisung vom Tode begnadigt worden ist, werden wir um unsere
Rehabilitation kämpfen, das schwöre ich Euch bei Gott, und zwar als freie,
untadelige Bürger dieser Stadt!«
    Mit Antons Hilfe
hatte er Maria auf seine starken Arme genommen. Widerspruchslos trat David zur
Seite und gab den Weg zur Tür frei. Er hatte den Blick auf den Boden geheftet,
sodass niemand sehen konnte, was in ihm vorging.
    Auch der Ehevogt
Roleman schloss seine Akte und war im Begriff, Hermann und Anton zu folgen, als
er vor der Richterkanzel noch einmal stehen blieb und dem Richter fest in die
müden Augen sah. »Wenn Euch der Tod nicht vorher erlöst, hoher Richter, sehen
wir uns bei dem Revisionsprozess vor dem Reichskammergericht gegen Euch
wieder!«
    Zufrieden winkte er
einem der Knechte vor der Tür, der ihm seinen Tornister brachte. Ein Lächeln
glitt über sein Gesicht, als er die Lederverschnürung öffnete. Eine Mischung
aus Triumph und Genugtuung. »Aber wir werden nicht nur Revision gegen dieses
ungerechte Urteil einlegen, denn besagte Maria Rampendahl ist keine Hexe, das
wisst Ihr so gut wie ich. Dank des mutigen Einsatzes der Familie Rampendahl
wurde die Begnadigung der Universität in eine Landesverweisung umgeschrieben.
Hätte der Chirurgus nicht unter Einsatz seines Lebens den Kurier gespielt und
die Nachricht noch rechtzeitig überbracht, so hättet Ihr es geschafft, eine
weitere Unschuldige zu richten. Ich habe hier etwas, werter Richter, was Euch
sehr bekannt vorkommen dürfte. Etwas, das Euch allein betrifft und Eure
Unglaubwürdigkeit vor dem Volk bestätigen wird. Dies hier!«
    Mit einer schnellen
Handbewegung zog er ein Bündel aus dem Tornister und warf es auf die Kanzel,
ohne dabei die Hand von ihm zu lassen. »Ich denke, Ihr erkennt Euer eigen
Fleisch und Blut? Dieses Kind, die

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