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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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ereiferte
sich. »Was redet Ihr da? Wenn aber auch die Holländer alles Tuch nach Brügge
bringen müssten, kämen sie nicht mehr zu uns nach Osnabrück. Wer kauft uns dann
unser Leinen ab und schafft es weiter nach England? Die Kölner nicht und die
Bremer nicht. Auch wir haben unser Stapelrecht auf Leinen zu verteidigen.
Lübeck braucht unseren Beistand.«
    Wenigstens sparte
der Rat nicht am Wein, der Corveyer Tropfen war süß. Ein Stuhl scharrte auf dem
Bohlenboden am Ende des Ratstischs. Die Gildeleute regten sich vor der
Täfelung. Knuf würde reden. Der Prüfmeister streifte den Vorhang vor den
Fenstern zum Markt. Im Gegenlicht stand er wie geschnitzt aus Ebenholz, ganz
schwarz schien Leent die kräftige Gestalt. In Stein hatte er solche Leiber vom
Ruß überzogen in flandrischen Kirchen Türpfosten halten sehen.
    Knuf verschränkte
die Arme und sprach mit einer Stimme, die den Dom hätte füllen können. »Nichts
tun und Geld raffen, Ihr denkt allzeit nur an Eure Truhe, Terbold. Nein, meine
Herren, halten wir uns lieber aus dem Hansegezänk heraus. Oder wollt Ihr nun
endlich auch den Soestern Hansebrüdern beistehen, die ihre Freiheit als
Stadtbürger verteidigen? Bisher hat Osnabrück sich da ja fein herausgehalten.«
Knuf schlug mit der flachen Linken auf seine rechte Faust. »Die Stapelrechte im
fernen Lübeck, so etwas schert Euch, Kaufmann Terbold. Aber nicht, dass die
Landsknechte der Kirchenfürsten bald auch unsere Mauern belagern, wenn es
unserem Bischof im Bunde mit dem Kölner Erzbischof gelingt, die Soester
Hansebrüder zu besiegen.«
    Hatte Knuf vergessen,
dass die Handwerker gut an den Kaufleuten verdienten, die weit nach Osten
fuhren? Wieder vermengten die Ratsherren alles mit allem. Leent stieß der süße
Wein auf. In seiner Jugend hatte der Rat nicht länger als eine Frühmesse
gebraucht, um zu einem Schluss zu kommen. Zu der Zeit war die Zahl der
Ratsherren noch beschränkt gewesen. Doch dann hatte der Streit in der Stadt
geschwelt wie ein böses Feuer im Torf. Leent spürte wieder das Brennen auf
seinem Unterarm bis hinauf zur Achsel. Damals, als das rasende Volk des Nachts
ihr Kaufmannshaus angesteckt hatte, hatte sein Hemd Feuer gefangen. Leent hatte
die Feuersbrunst überlebt, das Feuer war schon fast gelöscht, das Schlimmste
von den Vorräten abgewendet, da hatte ein berstender Balken den Vater erschlagen.
    Von da an hatte
der junge Leent den Laden selber führen müssen, die Mutter war zu schwach.
Schließlich hatten die Aufstände der Bürger damals den Rat gezwungen, auch
Gildeleute und Wehrherren aus den niederen Rängen zu den Beratungen
aufzunehmen.
    Einen Moment
herrschte Schweigen, nur die Dielen knarrten unter den Füßen. Der Bürgermeister
griff seinen Becher, führte ihn aber doch nicht zum Mund. Sein Blick fasste
Knuf. »Warum vermengt Ihr alles miteinander, Gildemann? Es geht bloß um die
Antwort auf die Hanseschrift aus Lübeck.«
    Knuf strich eine
Mücke von seiner Wange weg. Er zog den Mund breit, kniff das linke Auge
zusammen. »Bürgermeister, vergesst Ihr so schnell? Osnabrück steht noch immer
unter Reichsacht. Solange wir den Grafen Hoya nicht aus der Gefangenschaft
ziehen lassen, droht uns die Strafe des Kaisers …«
    »Ach was, der
Kaiser sitzt weit weg in Wien. Die Gefahr droht höchstens von den anderen
Hoyas, sollten die gegen uns rüsten.«
    Von keinem anderen
als dem Bürgermeister aus der Neustadt hätte der Knuf sich unterbrechen lassen,
aber der war ein Bruder seines Großvaters. Welche Hansestadt hatte schon
ehrenhalber deren drei Bürgermeister? Zwei aus der Alt- und einen aus der
Neustadt, wobei dann doch nur einer, nämlich Heinrich von Leden als Erster Bürgermeister,
das Sagen hatte. Aber diese seltsame Rangordnung wieder abschaffen zu wollen,
würde einen neuen Aufstand der Bürger heraufbeschwören. Leent seufzte, der Rat
war, wie von Leden, entscheidungsschwach. Elisabeth würde allein mit dem Küfer
verhandeln müssen. Wenigstens konnte er seinem Weib trauen. Gott war ihm gnädig
gewesen. Kein Goldstück zu viel ging durch ihre Hand nach draußen.
    »Hättet Ihr den
Grafen nicht so lange im Bocksturm eingesperrt, würde er jetzt nicht gegen uns
wüten.« Knuf legte den Kopf zur Seite, sein dunkles, dichtes Haar fiel bis zur
Schulter. Wo war eigentlich der Tomas Reker, der sonst das große Wort bei den
Handwerkern führte?
    »Es heißt, die
Hoyas haben sich sogar mit dem Bischof gegen die Soester zusammengetan«, sagte
ein Ratsherr aus der

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