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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Scheiterhaufen übergebe. Der Herr wird mir verzeihen«, sagte der Henker zu
Hermann Beschoren und setzte ihm eine der schweren glühenden Eisenzangen in das
Genick.
    Die Zuschauer
hielten den Atem an. Dichter Rauch stieg auf, es zischte und stank nach
verbranntem Fleisch. Beschorens magerer Körper wand sich in den Seilen, doch
über seine blutleeren Lippen kam kein Schmerzenslaut. Als der Henker die Zange
wieder absetzte, war die Haut des Schulmeisters im Genick aufgeplatzt und
qualmte.
    David hielt die
Zange in einen bereitstehenden Behälter mit kaltem Wasser und entfernte die
herausgerissenen verbrannten Fleischstücke. Die Menge reagierte enttäuscht.
Wütend griffen sie Meister David an. »Geh nach Hause zu deinem Weib, Henker,
und übergib lieber uns den Hexer!«
    »Treib die Ochsen
an!«, rief David dem Fuhrmann zu. Die Schmach brannte wie Feuer. Beschoren
hatte die Prozedur klaglos wie ein Mann ertragen, aber der Pöbel wollte
unterhalten werden. Eine solche Panne durfte ihm kein zweites Mal passieren.
Voller Zorn griff er zur nächsten Zange.
    Als die massigen
Ochsen sich in das Joch stemmten, wurde Maria vom Rad geschleudert. Die
gewaltigen Räder setzten sich knarrend in Bewegung, während sie von dem
vorwärtsdrängenden Pöbel mitgerissen wurde. In ihren großen Augen stand das
blanke Entsetzen. Sie rannte um ihr Leben, ohne den Blick von dem Henker zu
wenden, der dem Schulmeister erneut die Zange ansetzte, um noch weitaus härter
an seinem Fleisch zu reißen als beim ersten Mal. Gnadenlos zerstörte der Henker
das reine Bild vom gütigen Meister David in Marias Seele, während erneut Rufe
nach Beschorens Tod erschallten. Doch der Schulmeister gab keinen
Schmerzenslaut von sich. Ohnmächtig hing er in den Seilen. Den Lehrer so leiden
zu sehen, verursachte Maria unendliche Qualen, während die wachsende Mordgier
in den Augen der Zuschauer sie ängstigte. Von Panik erfüllt versuchte sie, dem
Geschehen zu entkommen, und rief nach Margaretha. Wie eine hölzerne Puppe wurde
sie bis vor die Osterpforte mitgeschleift, wo der Pulk plötzlich stoppte.
Während der kurzen Verschnaufpause sah sie entsetzt an sich hinunter. Die
seidenen Strümpfe und Schuhe waren bis zum Rocksaum mit menschlichen Abfällen
und Pferdekot beschmutzt. Doch die Menge ließ ihr keine Zeit, darüber
nachzudenken. Weiter ging es bis zur Landwehr, wo der Karren an der großen
Handelsstraße zum Stehen kam. Auch die Kutschen des Hohen Gerichts hielten
inne: ein Vier- und zwei Zweispänner hinter dem Schinderkarren. Von den
hinteren Reihen wurde Maria gegen einen in die Erde gelassenen Zaun gepresst,
hinter dem sich der Scheiterhaufen befand. Er war so hoch, dass er ihr die
Sicht über die Feldmark versperrte, und ruhte auf sechs kräftigen Balken. Die
Henkersknechte hatten darauf Kluftholz mit Stroh, Teer und Pech geschichtet.
Der Haufen hatte die Höhe eines erwachsenen Menschen. Ängstlich und zugleich
angesteckt von der Erregung der Zuschauer, klammerte sich Maria an die
Absperrung. Neben ihr versuchten einige Vorwitzige bereits, über den Zaun zu
klettern, und andere taten es ihnen nach. Bald hingen sie wie Trauben an der
Holzwand und nahmen ihr die Sicht. Wieder dachte sie an Margaretha. Die Schwester
würde sicher nach ihr suchen, doch ein Zurück war bei der Menschenmenge
unmöglich, und auch das Schauspiel vor ihr hielt sie plötzlich wie ein böser
Zauber gefangen.
    Der Henker hatte
sich auf das danebenstehende kleinere Podest begeben, in dessen Mitte sich ein
riesiger Hauklotz befand. Direkt davor stand ein Behälter für den Kopf des
Hingerichteten.
    Unter einem Schwall
von Hochrufen stieg nun der Richter bedächtig die drei Stufen zu dem
behelfsmäßigen Schafott hinauf. Ihm folgte der Pfarrer von St. Nikolai mit
gesenktem Kopf. Maria hatte ihren Beichtvater längst erkannt. In der Hoffnung,
er würde sie sehen, winkte sie mit beiden Händen und schrie, so laut sie
konnte: »Hochwürden, hier bin ich!«
    Doch Pfarrer Andreas
Koch hörte ihr Rufen nicht. Gerade raunte ihm Kerckmann zu: »Ich hoffe nicht,
Hochwürden, dass seine Enthauptung Beschoren noch zum Märtyrer macht. Er ist
schließlich nicht von Adelsgeblüt, sondern nur ein Schulmeister, dem diese Ehre
widerfährt. Dem Pöbel ist es morgen sowieso schon wieder egal, der wievielte
Hexenmeister er war. Hauptsache, die Leute haben Spaß.«
    Neben Johannes
Berner war auch der junge Studiosus aus der Kutsche gestiegen. Er begleitete
Berner zu Margarethe Hake, die in dem

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