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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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waren sprachlos auf ihn gerichtet, während Kerckmann und der neugierig
hinzugetretene Berner Cothmann zu sich in die Ecke gezogen hatten und erregt
auf ihn einredeten. Ein Duell zwischen den Eliteanwärtern auf die frei
werdenden Ratsämter war etwas, was sie im Moment nicht brauchen konnten.
    Als sich die Brüder
Kleinsorge, ihr Anwalt Spruthe, der Kaufmann Rottmann und Kantor Grabbe
demonstrativ abwandten und im Begriff waren, den Saal grußlos zu verlassen,
hielt Berner sie zurück. »Eine Entschuldigung Eurerseits, meine Herren, würde
den Konflikt in unser aller Sinne zum Gütlichen regeln!«
    Diedrich gab seinem
Bruder ein Zeichen. »Es wäre unklug, auf das Angebot nicht einzugehen, Bruder«,
flüsterte er ihm zu.
    Heinrich nickte
zähneknirschend und ballte unter dem Überrock die Fäuste. »Ich füge mich, weil
du der Ältere bist. Aber der Tag wird kommen, an dem dieser Emporkömmling
unsere Macht spürt!«
    »Die ganze Stadt
spricht davon, dass Hochwürden gefangen genommen wurde, Vater!« Atemlos stand
Maria in der Tür und blickte erstaunt auf den Vater, der, die Ellbogen auf den
Tisch gestützt, missmutig in den Krug Bier vor sich starrte.
    Aufgeregt war sie
mit der Neuigkeit sofort zu ihm gelaufen, jetzt aber verharrte sie verwundert
auf der Schwelle. Dem Vater gegenüber saßen im Halbdunkel der Diele die Brüder
Kleinsorge, getarnt durch weite graue Überröcke und tief ins Gesicht gezogene
Barette. Ihre ernsten Mienen ließen nichts Gutes ahnen. Zudem bemerkte Maria
die viel zu früh geschlossenen Fensterläden und vermisste die Knechte und
Mägde. Auch die Mutter und die Schwestern waren nirgendwo zu entdecken.
    Besorgt trat sie mit
einem frisch gefüllten Krug Bier an den Tisch. Cordt hob bei ihrem Erscheinen
den Kopf. Er war barhäuptig, und das rotblonde Haar wallte ihm in dichten
Locken bis auf die Schulter. Ihr Anblick erhellte seine Züge. »Komm, setz dich
zu uns, Tochter!«, forderte er sie erfreut auf.
    Maria genoss sein
Vertrauen. Er schätzte ihren gescheiten Rat und zögerte nicht, sie auch in
gefährliche Angelegenheiten einzuweihen. Gehorsam ließ sie sich neben ihm auf
der Bank nieder und nickte den Herren zur Begrüßung scheu zu. Rasch füllte sie
die Krüge bis zum Rand und fragte dann leise und mit gesenktem Blick: »Meine
Herren, selten begrüßen wir so hohe Gäste in unserem Haus. Ist es die
Verhaftung Hochwürdens, die Euch zu uns führt?«
    »So ist es,
Jungfer«, antwortete ihr Diedrich mit einer leichten Verbeugung. »Euer Vater
weiß übrigens Bescheid«, fuhr er hastig fort, während ein flüchtiges Lächeln
über sein junges Gesicht huschte. »Wir befinden uns auf der Flucht, und Euer
Herr Vater war so freundlich, uns mit allem Notwendigen zu versorgen, da unsere
Häuser bereits konfisziert wurden. Wir haben keine Möglichkeit mehr, unsere
Anwesen zu betreten. Täten wir es dennoch, so würde man uns sofort einsperren.«
    »Aber warum denn
Euch, hohe Herren?« Maria sprang erschrocken auf. Cordt griff nach ihrem Arm
und zog sie sanft auf die Bank zurück.
    »Der Landmann
Hermann Cothmann hat es an die Spitze geschafft. Er wurde von den Herren beider
Räte zum ›Direktor des peinlichen Gerichts gegen die Unholde und Hexen‹
vereidigt. Seine Stellung ist das letzte Werk des kürzlich dahingeschiedenen
Teufels Kerckmann, der diese Funktion bis dahin innehatte. Über Jahre hinweg
hat der Hexenbalg die Position an der Seite des mächtigsten Mannes genutzt, um
Verbindungen zum Grafen und zu den Universitäten aufzubauen. Er ist nicht mehr
aufzuhalten, und es ist abzusehen, dass das Amt des Bürgermeisters für ihn nur
noch eine formelle Sache ist. Sämtliche Türme platzen vor Gefangenen, und die
Schreie der Gefolterten verstummen nicht. Allein die Witwe Böndel wurde drei
Mal auf den Pfarrer gefoltert. Dabei hat ihr Sohn, der Magister Spruthe, in der
Hoffnung, seine Mutter zu retten, unsere Sache verraten. Während einer Anhörung
beim Grafen in Detmold ist ihm, aus welchen Gründen auch immer, Hochwürdens
Name über die Lippen gekommen, den man daraufhin auf Beschluss beider Räte sofort
von seinem Amt suspendiert hat. Unsere Gönnerin, Gräfin Maria Magdalena, die
Mutter des Grafen, versuchte, Hochwürden zu warnen, doch im Bewusstsein seiner
Unschuld vermochte Andreas sich nicht vorzustellen, ernsthaft in Gefahr zu
geraten, und schlug die Warnung beherzt in den Wind. Ausschlaggebend für seine
Gefangennahme war letztlich die Aussage einer verwirrten alten Frau,

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