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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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über
die Schmach, die dem Geliebten in diesem Augenblick widerfuhr. Zu gern hätte
sie ihn an der Hand gefasst und hinausgeführt, doch sie durfte sich nicht
verraten.
    David erstarrte.
Kerckmanns schwache Rufe waren vergessen, im Saal war es mucksmäuschenstill
geworden. Sensationslüstern verfolgten die Gäste jede Bewegung des Henkers, als
dieser sich langsam umdrehte und Cothmann wie ein Wolf umschlich. Die Menge
hielt den Atem an, als die Hand des Landmanns spontan zum Degen fuhr.
    Plötzlich blieb der
Henker vor ihm stehen. Ihre Blicke bohrten sich ineinander. Wie zwei
kampfbereite Stiere tasteten sie sich gegenseitig ab und suchten am anderen
nach einer Schwäche.
    In Davids Augen
blitzte es spöttisch. »Gestattet Ihr?« Er nahm dem verdutzten Landmann den Krug
aus den Händen, setzte ihn zum Erstaunen des Publikums an die Lippen und
schlürfte ihn laut rülpsend bis auf den Grund leer. Dann schleuderte er ihn
unter die Gäste und brüllte: »Leute, unsere Stadt nährt eine giftige Schlange
an ihrem Busen. Eine Schlange, die sich langsam einen Platz in der besseren
Gesellschaft erschleicht. Schon im Paradies verkörperte sie das Böse. Wie ihr
alle wisst, bin ich der Henker, der Satan bekämpft, sich aber nicht mit ihm
schlägt. Was, liebe Leute, soll ich nun mit der Schlange machen? Soll ich ihr
den Kopf abhacken oder ihr kräftig eins furzen?« Augenblicklich hatte er die
Lacher auf seiner Seite.
    »Ihr eins
fuuurzen!«, wieherten die Gäste und klatschten sich dabei auf die Schenkel. Das
zustimmende Geschrei spornte David zu noch größerem Übermut an. Seine dunklen
Locken hingen ihm jetzt strähnig und nass ins Gesicht. Sein gestählter
Oberkörper glänzte vor Schweiß, und das Bier tat seine Wirkung. Laut grölend
riss er sich unter dem Gekreische der tobenden Gäste die Hose vom Hinterteil
und präsentierte Cothmann die blanken Backen. Die Gäste schrien und johlten vor
Vergnügen. Im gleichen Augenblick verfinsterten sich Davids Züge. »Das ist für
die hinterhältige Verleumdung meiner Ehefrau, du Hurensohn«, zischte er
Cothmann leise zu.
    Seitdem seine
Nachbarin, die Witwe Böndel, in den Verdacht der Hexerei geraten war, war auch
die Scharfrichterei nicht mehr frei von Vorwürfen. Es ging das böse Gerücht um,
Davids Frau Agnesa hätte der Böndelschen das Zaubern gelehrt, und sie wären
allzeit zusammen in der Kutsche gefahren.
    David blähte vor
Cothmann die Wangen auf. Sein Gesicht lief dunkelrot an, dann entwichen ihm
lautstark die ersten Biergase, und das Publikum hielt sich kreischend die Nase
zu.
    Blass, steif und
ohne die Hand vom Degen zu nehmen, sah Cothmann dem Treiben zu. Er kochte vor
Wut, lächelte aber wie über einen gelungenen Scherz. Niemand sollte bemerken,
wie nahe ihm die Demütigung durch den Scharfrichter ging. In diesem Moment
schwor er ihm tödliche Rache.
    David ließ Cothmann
nicht aus den Augen, als er seine Hose feixend wieder hochzog. »Habt Ihr genug,
Landmann, oder wollt Ihr Euch immer noch mit einem Bauern schlagen?«
    In diesem Moment
spürte er Kerckmanns Hand auf seinem Arm. Der Richter sah angeekelt zu ihm auf.
»Genug der Possen, Henker! Ihr seid ja vollends besoffen. Verlasst
augenblicklich den Saal. Der Auftritt wird für Euch ein Nachspiel haben.«
    Im Nu war David
wieder nüchtern. Demütig verbeugte er sich vor dem alten Mann und küsste den
Saum seines Rocks. »Immer zu Euren Diensten, hoher Herr. Ich bin mir meines
Vergehens bewusst und erwarte Eure Strafe.« Damit erhob er sich und strebte
durch die Menge Richtung Tür.
    Auf halbem Wege
blieb er vor Maria stehen. Seine Augen blickten nachdenklich auf sie hinunter,
während seinen Mund ein seltsames Lächeln umspielte. Plötzlich nahm er ihre
Hand in die seine und drückte einen leidenschaftlichen Kuss auf den Handschuh.
Er hatte sie wiedererkannt.
    Als ihre Augen in
heimlichem Verlangen ineinandertauchten, setzte die Musik wieder ein. Rasch
bildeten sich Tanzpaare, und Maria wurde von Davids Seite abgedrängt. Der
Schmerz, ihn wieder verloren zu haben, schien sie schier zu erdrücken. Suchend
glitt ihr Blick über die Köpfe hinweg, als sie eine Hand an ihrer Hüfte spürte.
Erfreut fuhr sie herum. Doch das strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht wich der
Enttäuschung, als sie den Landmann erblickte. Nichts an ihm verriet die eben
erlittene Schmach. Aufgekratzt und mit einem verführerischen Lächeln auf den
Lippen, ergriff er ihre Hand und führte sie zu den Paaren, die zu einer Longway
in einer

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