Der Henker von Lemgo
der
Küsterschen. Nachdem alle geständigen Hexen auf ihn befragt wurden, hat sie die
beim Tanz abgehaltenen Schmausereien mit Wein aus dem Ratskeller und Stuten,
Schinken und Mettwürsten beschrieben. Anschließend nannte sie unsere Namen, den
des Kantors Grabbe und Hochwürden als den Oberhexenmeister. Leider besitzt die
Gräfinnenmutter zu wenig Einfluss auf ihren Sohn. Kantor Grabbe hat sie
geraten, Schutz bei Graf Casimir in Brake zu suchen. Ein folgenschwerer Fehler,
denn seine Flucht dorthin hatte zur Folge, dass man ihn in Eisen gelegt
zurückführte. Die Witwe Böndel wurde in aller Eile hingerichtet, ohne dass ihr
Sohn ihr helfen konnte, und auf Rottmann – als Kommandant der Hexenrotte –
wartet nun ebenfalls das Schwert.«
»Aber was kann der
Rat Hochwürden vorwerfen, was so verwerflich wäre?« Cordt hatte vor Erregung
die Hand seiner Tochter ergriffen.
»Der Hohe Rat klagt
ihn an, mit seinen Predigten das Reich des Teufels erweitert und das Unkraut
der Zauberei zum Wachsen gebracht zu haben.«
Heinrich unterbrach
ihn mit zorniger Miene. »Er ist ein Geistlicher und deshalb für die Obrigkeit
ein gefährlicher Wegbereiter des Satans. Der Rat fürchtet seine Art zu denken.
Seine Predigten sind eine große Bedrohung.«
»Kann man Hochwürden
denn nicht helfen?«, fragte Maria ängstlich und bekreuzigte sich.
Diedrich schüttelte
den Kopf. »Viele namhafte Geistliche haben bereits vergeblich Widerspruch
eingelegt. Außerdem haben sie sich damit sofort selbst in die Gefahr des
Hexereivorwurfs gebracht. Auch die Gräfinnenmutter hat sich mit einem Schreiben
für Hochwürden eingesetzt und vom Grafen dafür einen Verweis erhalten. Das
beweist nur, dass von ihrem Stiefsohn keine Hilfe zu erwarten ist, da er an der
Begnadigung zum Schwert mit verdient. Auch Hochwürden selbst hat eine
Appellation an den Grafen geschickt, nachdem ihm die Verfassung des Pasquills
von Berner nachgewiesen wurde. Leider blieb sie ungehört.«
»Besteht denn die
Möglichkeit, zu ihm vorgelassen zu werden?« Maria war eine Idee gekommen und
sie hing nun hoffnungsvoll an Diedrichs Lippen.
»Damit würdet Ihr
Euch einer großen Gefahr aussetzen, Jungfer. Euer kleines Missgeschick im
Zusammenhang mit dem Pasquill hat Euch zur Nummer eins auf der Verfolgungsliste
gemacht. Wir haben auf dem Ball versucht, durch einen provozierten Zwischenfall
von Euch abzulenken, doch Pastor Koch muss die Auseinandersetzung zwischen Euch
und Cothmann beobachtet haben. Kurz nach Eurem Weggang hat er ihn mutig unter
Druck gesetzt. Vielleicht hat Cothmann Euch deshalb bisher verschont,
vielleicht aber hat er auch ganz andere Ambitionen, was Euch betrifft, Jungfer.
Er ist ein berechnender, eiskalter Wolf. Niemand weiß, was seine Pläne sind.«
Diedrich erhob sich
und schulterte sein Bündel. »Wir werden versuchen, unseren Kampf außerhalb der
Landesgrenzen weiterzuführen. In Lemgo ist es derzeit zu gefährlich. Auch
bringt der Mut eines Einzelnen, gegen die Hexenjägerclique vorzugehen, nur den
Tod, wie wir an Hochwürden sehen. Euch, Jungfer, raten wir, uns zu begleiten. Ihr
solltet nicht länger in Lemgo verweilen. Ihr seid eine schöne und mutige junge
Frau, und wir würden es zutiefst bedauern, Euch dem Scheiterhaufen überlassen
zu müssen.«
Auch Heinrich
schnürte nun sein Bündel und reichte Cordt freundschaftlich die Hand. »Wir
bedanken uns für das Brot und das Bier, Deche. Auf Euch, der Ihr die geballte
Kraft der Zünfte hinter Euch habt, ruht jetzt unsere ganze Hoffnung. Männer wie
Euch braucht Lemgo im Rat. Wir wünschen Euch viel Glück auf Eurem schweren Weg
dorthin. Sollten wir uns jemals wiedersehen – dann hoffen wir, dass es unter
glücklicheren Umständen in einem freien Lemgo geschieht!«
Hastig nahm Diedrich
einen letzten Schluck Bier und schaute nachdenklich über den Krugrand auf die
zögernde Maria hinunter. »Für welchen Weg habt Ihr Euch entschieden, Jungfer?
Wollt Ihr Euch in unseren Schutz begeben und uns begleiten?«
Langsam hob Maria den
Blick. Obwohl ihr die Tränen in den Augen standen, war sie nie reifer und
schöner gewesen als in diesem Moment. »Ich danke Euch für Euer Angebot, hoher
Herr, aber ich gehöre hierher. Meine Flucht würde Cothmanns Hass nur verstärkt
auf meinen Vater, meine Mutter, meinen Bruder und meine Schwestern lenken. Ich
werde Hochwürden beistehen und einen Weg zu ihm in den Turm finden.«
»Euer Mut ist
bewundernswert, Jungfer! Wir beten für Euch und wünschen Euch von Herzen
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