Der Henker von Lemgo
sich trockene
Kleidung, ist Euch aber dann sogleich wieder zu Diensten, Fremder.«
Der Mann stellte
seinen Krug vor ihm ab und reichte ihm seine kräftige Rechte: »Ich bin der
Hausherr Cordt Rampendahl und Euch zu Dank verpflichtet. Ihr hörte, Ihr habt
meine Tochter vor großem Schaden bewahrt. Sagt mir Eure Wünsche, und ich werde
sie Euch erfüllen. Mein Haus steht Euch jederzeit offen, an Speise und gutem
Trunk soll es nicht mangeln.«
In diesem Augenblick
tauchte Maria auf. Sie hatte sich ein trockenes Kleid übergezogen und hielt eine
Kanne Bier und ein Gefäß mit Bohnensuppe in den Händen. Ihre blauen Augen
lachten. In dem dunklen Kleid mit dem weißen gestärkten Spitzenkragen und dem
seitlich aufgesteckten Haar war sie die Anmut selbst. Hermann verschlang sie
mit seinem Blick.
Sie stellte die
Bohnensuppe auf die Tischplatte und zauberte zwei flache Schalen, einen Laib
Weizenbrot und ein Stück Speck unter ihrer Schürze hervor. Aus der Kanne goss
sie erst Anton, dann Hermann den Krug voll Bier und füllte ihnen dann die
Schüsseln mit der wohlriechenden Suppe. Cordt zog das Messer aus dem Gürtel und
reichte es der Tochter, die mit geübter Hand den Speck zerteilte und jedem
Bruder ein Stück reichte.
Anton ließ sich
nicht lange bitten und machte sich schmatzend über die Suppe her. Er schlang,
als hätte er seit drei Monden nichts mehr zwischen die Zähne bekommen. Jedes
Mal, wenn er den Löffel voll Suppe in den Mund schob, schwappte die Hälfte über
den Rand und ergoss sich auf die Tischplatte. Zwischendurch setzte er immer
wieder den Krug an, ließ das Bier glucksend seine Kehle hinunterlaufen und
rülpste danach genussvoll. In solchen Momenten besaß Anton kein Auge für
weibliche Schönheit. Ihm wurde nicht abwechselnd heiß und kalt, und sein Herz
klopfte auch nicht zum Zerspringen.
Welch ein Glück für
ihn. Hermann beneidete den Bruder um diese Gabe. Im Gegensatz zu Anton brachte
er in Marias Anwesenheit keinen Bissen hinunter und zog sie mit seinen Blicken
förmlich aus. Immerfort musste er in ihr Antlitz schauen, das ihm wie von einem
Steinmetz geschaffen schien, jedoch der unterschiedlichsten Regungen fähig war.
Eben noch hatten sich lustige Grübchen in ihre Wangen rund um den Schmollmund
gegraben, doch schon im nächsten Augenblick wirkte sie nachdenklich und sanft
wie eine Madonna. Sie war unbescholtene Maid und reife Frau in einem. Je länger
er sie betrachtete, umso heftiger begann sein Herz für sie zu schlagen. Er
schätzte sie auf gut dreißig Jahre. Untrügliches Zeichen ihres Familienstands
war die fehlende Haube, unter der verheiratete Frauen für gewöhnlich ihr Haar
verbargen. Im Lichtschein der Lampe wechselte dessen Farbe vom Gold der reifen
Ähre zum Rot der untergehenden Sonne und ergötzte ihn. Die Ähnlichkeit mit dem
Vater war verblüffend.
»Verspürt Ihr keinen
Hunger, oder schmeckt Euch meine Bohnensuppe nicht?« Maria hatte sich ihm
gegenübergesetzt und schaute ihn besorgt an. »Meine Mutter hat noch
Schaffleisch mit Zwiebeln und gebratenes Huhn mit Zwetschgen über dem Feuer.
Würde Euch das besser munden?«
»Ein Hoch auf die
Kochkunst Eurer Mutter und Eure Geschicklichkeit, Jungfer Maria. Ich wollte
Euch nicht beleidigen und werde Eure Suppe mit größtem Genuss verspeisen.« Er
setzte den Löffel an und führte ihn zum Mund, doch die Suppe schwappte vom
Löffel zurück in die Schale. Ihr Blick trieb ihm den Schweiß aus den Poren und
ließ seine Hand erzittern.
Anton hingegen
klopfte sich zufrieden auf die Schenkel, furzte laut und prostete Cordt zu, der
sein Fressgelage staunend verfolgt hatte.
Während der Hausherr
seinen Krug in einem Zug mit Anton leerte, beobachtete er Maria blinzelnd über
den Rand des Krugshinweg. Als sie Hermanns Blick mehr als einmal erwiderte,
entlockte ihm dies ein Schmunzeln. »Von meiner Tochter hörte ich, Ihr seid
ebenso Chirurgus wie mein Sohn Caspar, Gott hab ihn selig«, versuchte er, mit
Hermann ins Gespräch zu kommen.
Hermann nickte
abwesend, ohne Maria aus den Augen zu lassen. »Eurem Sohn gebührt große Ehre.
Wie ich hörte, führte er erfolgreich eine eigene Barbierstube.«
»Mir scheint, meine
Tochter hat Euer Herz erobert.« Cordt grinste.
Verlegen lächelte
Maria Hermann an. Sie ahnte, worauf der Vater hinauswollte, und gab sich Mühe,
nicht zu erröten.
Ahnungslos nickte
Hermann Cordts Tochter zu. Seine Augen blieben unverwandt an ihren vollen
Lippen hängen. »Wer sollte ein so schönes Kind auch
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