Der Henker von Lemgo
übersehen? Welcher Mann
würde Euch nicht um dieses Kleinod beneiden?«
»Wie recht Ihr doch
habt, Fremder.« Cordt frohlockte. Am liebsten hätte er sich auf die Schenkel
geklatscht, so sehr gefiel ihm Hermann. Schon lange war kein so stattlicher
Bursche mehr bei ihm eingekehrt. Mit seinen guten Manieren würde er es zu etwas
bringen.
»Ihr seid also auf
der Wanderschaft, um Euch den Meister zu verdienen. Habt Ihr schon daran
gedacht, Euch in Lemgo niederzulassen und ein Weib zu freien?«, forschte er
weiter. Hermann war der Richtige für Maria, jetzt überlegte er, wie er ihn in
die Falle locken konnte. Auf keinen Fall durfte der Bursche wieder sein Haus
verlassen.
Zunächst musste er
sich Maria entledigen, um ungestört ihre Vorzüge anpreisen zu können. Das war
nicht schwer, denn das Brot war aufgebraucht, und Maria beeilte sich, neues zu
besorgen. Als Cordt sicher war, dass sie den Weg zur Backstube eingeschlagen
hatte, seufzte er: »Jeder, der meine Tochter ansieht, entflammt im Herzen für
sie. Ihr seht ja selbst, sie besitzt alle Gaben, die ein gutes Weib für die Ehe
braucht. Sie ist hübsch und gescheit. Ihr Becken ist breit und drall und wird
einem Mann viele gesunde Kinder gebären. Kein Weib in der Umgebung kann es im
Kochen und Wirtschaften mit ihr aufnehmen. Selbst die Speisen hier hat sie mit
eigenen Händen zubereitet, trotzdem befürchte ich, sie wird als alte Jungfer
sterben.« Er seufzte gespielt theatralisch.
Hermann löffelte
seine Suppe aus und war bestrebt, sich in seinem Benehmen nicht wieder zu
blamieren. »Weshalb«, fragte er mit vollem Mund, »sollte Eure Tochter als alte
Jungfer enden?«
»Ich bin Cordt«,
erwiderte Cordt lallend, »du kannst ruhig ›du‹ zu mir sagen.« Er rutschte näher
an Hermann heran und legte väterlich den Arm um seine Schulter. Antons
Oberkörper war mittlerweile auf die Tischplatte gesunken. Er schnarchte.
»Ich sage es dir
lieber gleich, Hermann: Einer wie der Hancke tratscht, sie wäre eine Hexe, und
die Nachbarn haben Furcht vor ihr, weil sie gescheit und nicht auf den Mund
gefallen ist. Sie alle halten mir die Freier für sie ab.« Enttäuscht schielte
er in die Kanne und schüttelte sie hin und her. »Das Bier ist ja schon alle.
Hast du etwa alles ausgetrunken?«
Er winkte der
jüngeren Tochter, die gerade mit zwei Krügen am Gürtel und einem Brett
Gesottenem aus der Küche im Hinterhaus kam. »Margaretha!«, grölte er. »Hierher
mit dem Bier!«
Die Gerufene beeilte
sich, der Aufforderung nachzukommen. Flink stellte sie einen der Krüge ab, aus
dem anderen goss sie zuerst dem Vater und dann Anton nach, den Cordts laute
Stimme geweckt hatte. Als er ihr den Krug über den Tisch hinweg hinhielt,
betrachtete er sie aus zusammengekniffenen Augen.
»Das ist meine
zweite Tochter, Margaretha«, stellte Cordt sie mit Stolz vor und klatschte ihr
anerkennend auf das stramme Hinterteil. »Sind es nicht zwei prächtige Weiber,
meine Töchter? Die eine rotblond wie reifes Korn und mit dem Teufel im Leib,
die andere pechschwarz und mit Glut in den Augen!«
»Alter Bock!«,
gluckste Margaretha leicht beschämt. Sie schob die Hand des Vaters auf den
Tisch zurück, bevor sie liebevoll seine Wange tätschelte. »Solltest lieber
zuerst die Maria unter die Haube bringen, damit auch ich noch einen ehrbaren
Ehemann abkriege.«
»Ich stelle mich
gern zur Verfügung«, witzelte Anton, inzwischen wieder hellwach. Er zwinkerte
Margaretha zu, während er sich hinter vorgehaltener Hand mit einem Holzspieß in
den Zähnen stocherte. Die Fleischreste schnipste er auf den Boden, bevor er die
Kochkunst des Hauses lobte und nach einer kalten Hühnerkeule langte. Das Fett
triefte ihm links und rechts aus den Mundwinkeln, sodass Margaretha ihm
kichernd die Wasserschale reichte. Verdrießlich starrte er auf das kleine
Schälchen, in welches er seine Finger tunken sollte, dann wanderte sein Blick
zu ihren schmalen Händen und blieb verträumt an ihnen hängen. Als sie die
Schale vor ihm abstellte, hielt er sie am Handgelenk fest und schmatzte hörbar
einen Kuss auf ihren Handrücken.
Margaretha wurde bis
über beide Ohren rot, und Hermann staunte. Er erkannte Anton kaum wieder. »Mir
scheint, du sehnst dich nach einem häuslichen Herd, mein Bruder«, grinste er,
»und nach Händen, die dich reichlich mit Fressen und Saufen verwöhnen.«
Anton schüttelte den
Kopf. »Wer kann zwei solchen Prachtweibern schon widerstehen?«, rülpste er.
Cordt hatte
währenddessen
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