Der Henker von Lemgo
drückten Zweifel aus. »Wahrscheinlich hast du
nur wieder zu viel gesoffen!«
»Aber wenn ich es
doch mit eigenen Augen gesehen habe. Da draußen sitzen zwei Wanderburschen, und
ich sage dir: Das werden unsere Schwiegersöhne! Es sind ehrbare Leute, und sie
kommen von weit her. Das ist unser Vorteil. Sie stören sich nicht an den
Gerüchten, wir müssen sie nur dazu bringen hierzubleiben. Aber bei der Mitgift,
die meine Töchter erhalten, wird das sicher nicht allzu schwer zu
bewerkstelligen sein.«
»Wenn die Burschen
ihren Rausch ausgeschlafen haben, wird sie nichts mehr bei uns halten. Sie
werden feststellen, dass unsere Maria von der ganzen Stadt als Hexe verleumdet
wird und ich ihr lieber vorher mit einem Hackmesser den Kopf abhauen wollte,
als dass Margaretha ihr vorgezogen wird.«
»Ach, was du schon
wieder redest, Weib!«
Cordt schlug gekonnt
den Bolzen von einem der Bottiche vor der Riege und ließ den gelben Saft in
einen Krug laufen. Dabei nahm er einen kräftigen Schluck von der Kelle und
wischte sich schmatzend über die Lippen. »Eine gute Maische«, lobte er das
Bier. »Wir müssen ihnen heute noch das Heiratsversprechen abnehmen.«
»Du alter Kuppler!«
Catharina hatte sich ihm auf einen Schemel gegenübergesetzt und die Gans
zwischen die Schenkel geklemmt. Schnell zog sie ein Messer aus dem Rock und
bohrte dem Vogel ein Loch in den Hinterkopf. Nachdem sie die große Ader
getroffen hatte, hielt sie die zappelnde Gans kopfüber über einen Zuber, um sie
auszubluten.
»Woher willst du
überhaupt wissen, ob die beiden unsere Töchter wollen? Außerdem ist nicht jeder
Mann gut genug für sie. Schließlich sollen sie mit ihnen glücklich werden.«
»Was faselst du da?
Die Maria braucht einen Mann, und die Brüder sind unser letzter Ausweg. Und die
Margaretha können wir gleich mit unter die Haube bringen. Ein größeres Glück
wird uns Gott nicht wieder schenken. Sieh doch selbst, sie fressen sich doch
schon mit den Augen auf!«
Er zog Catharina zur
Tür und wies auf die Brüder, die, über den Tisch gebeugt, angeregt mit den
beiden Töchtern schäkerten.
»Der Jüngere hat die
Margaretha sogar schon geküsst. Mit ihm werden wir keine Mühe haben. Bei seinem
Bruder Hermann ist mehr Geschick vonnöten. Er scheint sehr klug, und hübsch von
Angesicht ist er auch. Aber wenn wir den Anton erst so weit haben …«
Catharina hatte die
Gans erschrocken in den Zuber fallen lassen. Im Todeskampf schlug das Tier
heftig mit den Flügeln und versuchte zu entkommen. Cordt machte ihr Angst.
»Du willst doch
nicht etwa die Margaretha zuerst verheiraten? Das würde das Gerücht, Maria sei
eine Hexe, nur noch bestärken. Außerdem ist da noch unsere Jüngste Ilsabein.«
Ihre Augen flackerten unruhig. »Cordt, mein lieber Mann, begehe jetzt bloß
keinen Fehler. Denk an die Nachbarn. Dein Plan würde auch mich als deine Frau
in den Verdacht der Hexerei bringen.«
Hermann und
Maria tuschelten leise, als Cordt mit einem gefüllten Weinkrug wieder zu ihnen
trat. Antons Kopf lag erneut auf der Tischplatte, diesmal aber auf Margarethas
ausgestrecktem Arm. Er schnarchte. Schon zum wiederholten Male versuchte sie,
ihm vorsichtig den Arm zu entziehen, doch jedes Mal, wenn sie glaubte, sich
erheben zu können, wachte Anton auf, packte blitzschnell ihr Handgelenk,
hauchte betrunken ein paar Küsse auf den weichen, warmen Unterarm und schob ihn
sich dann wieder unter das Gesicht, bevor er zufrieden weitergrunzte.
Gesättigt wischte
Hermann sich mit einem Tuch die Reste vom Mundwinkel und reckte sich. Die
Schläfrigkeit übermannte nun auch ihn. Das gute Essen, das Bier und die
mittlerweile getrockneten, warmen Kleider hatten seinen Körper fast schwerelos
gemacht. Zufrieden streckte er die langen Beine unter dem Tisch aus und
berührte dabei wie zufällig Marias Fuß. Mit gespieltem Erschrecken zog sie ihn
zurück und verfärbte sich züchtig bis unter den rotblonden Haaransatz.
Verschämt senkte sie die Lider, bis Hermanns Blick sie erneut zwang, ihn
anzusehen.
Schläfrig suchte er
in ihrem Gesicht nach so etwas wie Zustimmung. Als ihr Lächeln ihm zu verstehen
gab, dass seine Berührung ihr nicht unangenehm war, ergriff er vorsichtig ihre
Finger, die neben dem Krug lagen. »Es ist eine Schande, dass eine solche Rose
ungepflückt verblühen soll«, bemerkte er leise, während sich seine Finger sanft
bis zu ihrer Handfläche vorarbeiteten. Seine Müdigkeit wich augenblicklich einem
wilden Verlangen. Der reichliche
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