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Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
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die Schüssel. Nun war Damiens an der Reihe.Der Soldat hatte die Weisung, dafür zu sorgen, dass Damiens nicht vergiftet wurde. Er sollte leben. Er sollte leiden. Damiens rührte sich nicht. Der Brei blieb an seinen blutleeren Lippen kleben.
    Robert-François Damiens war ein völlig abgemagerter Mann von zweiundvierzig Jahren. Man erzählte sich, sein Vater habe sich zu Tode gesoffen und seine Mutter sei an Skorbut gestorben. Ein Onkel habe ihn grossgezogen und ihm eine Ausbildung ermöglicht, doch Damiens sei, von einer steten Unruhe getrieben, in die Welt hinausgezogen und habe sich durch die Schlachtfelder Europas gekämpft, habe vorübergehend einem Schweizer Offizier als Feldjunge gedient und sei schliesslich krank und erschöpft in Paris gestrandet. In zahlreichen vornehmen Häusern habe man den gutaussehenden jungen Mann, den alle »Spanier« nannten, verpflichtet, als erotisches Spielzeug missbraucht und später gelangweilt vor die Tür gesetzt. Er habe sich wieder aufgerappelt und im Palast eines Grafen eine Anstellung gefunden. Doch eines Nachts habe der König seinen Herrn verschleppen lassen, weil dessen adlige Abendgesellschaften Rousseau, Voltaire und Montesquieu diskutierten und die Damen und Herren plötzlich Mitgefühl für die hungernde Bevölkerung zeigten. Der Graf habe Damiens immer wieder Kleider und Geld geschenkt, so dass dieser später beim Pont Neuf einen kleinen Krämerladen hatte eröffnen können. Aber die revolutionären Ideen des Grafen hätten seinen Geist nie mehr ruhen lassen, und seitdem habe ihn der Anblick der leidenden und hungernden Bevölkerung mit Zorn erfüllt. Als dann der grosse Hunger seinen Schleierüber Paris legte, habe Damiens seinen Laden schliessen müssen. Niemand weiss, wann er den Entschluss gefasst hat, den König zu töten. Mag sein, dass Damiens nicht ganz bei Verstand war, aber es ändert nichts daran, dass er aus Mitgefühl handelte, aus Mitgefühl für das französische Volk, das ein erbärmliches Dasein fristete, während der König die Steuergelder der Bauern und Arbeiter verprasste und sich mit seiner adligen Entourage amüsierte. Diese hatte ihm in den vergangenen Wochen in Versailles Gesellschaft geleistet, um in vergilbten Schriften Foltermethoden zu finden, die geeignet waren, den Attentäter Damiens besonders grausam zu bestrafen. Sie waren bei ihren Recherchen bis in die römische Antike zurückgegangen. Doch die grausamsten Folterungen, die sich der menschliche Geist je ausgedacht hat, fanden sie bei den päpstlichen Inquisitoren, die jeden, der an ihrem rachsüchtigen Gott zweifelte, qualvoll folterten und töteten. Die Christen hatten das Paradies auf das Jenseits verlegt und die Hölle auf Erden installiert.
    Doktor Boyer verliess den Kerker. Ein Gerichtsdiener trat ein und schickte sich an, dem bewusstlosen Damiens das Urteil vorzulesen. Er teilte ihm zunächst mit, dass er nun zum Zwecke der peinlichen Befragung in den Bonbec-Turm geführt werde.
    »Er hört Sie nicht«, sagte Charles, »er hat das Bewusstsein verloren.« Damiens tat ihm unendlich leid.
    »Das spielt keine Rolle«, entgegnete der Gerichtsdiener trotzig. »Bei uns hat alles seine Richtigkeit. Vorschrift ist Vorschrift.«
    Die vier Gardesoldaten banden Damiens vom Rost los. Als sie die Riemen von seinen aufgeplatzten Beinen lösten, stiess er erneut einen fürchterlichen Schrei aus und wimmerte jämmerlich. Der Gerichtsdiener befahl Damiens niederzuknien, doch dieser reagierte nicht. Zwei Gardesoldaten packten ihn unter den Schultern und zwangen ihn in die Knie, worauf er sofort zusammenbrach. Es war ihm unmöglich, auf den gebrochenen Kniescheiben zu verharren. Die beiden Soldaten hielten ihn unter den Armen fest, während die Unterschenkel wie fremdes Fleisch unter den Knien baumelten. Ein dritter Soldat packte ihn an den Haaren und riss sein Haupt zurück, so dass er den Gerichtsdiener sehen konnte. Während ihm dieser das Urteil vorlas, verzog er keine Miene, selbst bei der Ankündigung, dass er von vier Pferden zerrissen werden sollte. Damiens starrte ins Leere, die Augen seltsam verzückt, als wunderte er sich, all die Leute um sich zu sehen. Das Weiss in seinen Augen war gelb. Seine Haut hatte die Farbe von konzentriertem Urin. Er gab immer seltsamere Laute von sich, es klang wie »O Gott, o Gott, o Gott«, doch die Worte waren nicht wirklich zu verstehen.
    Als ein Polizeileutnant mit einem Geistlichen den Kerker betrat, beruhigte sich Damiens etwas. Die Soldaten setzten

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