Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Henker von Paris

Der Henker von Paris

Titel: Der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Cueni
Vom Netzwerk:
ihn in einer Ecke ab. Der Mann, der den Hund gefüttert hatte, bot Damiens ein Glas Wein an, doch dieser schloss die Augen. Er wollte nichts.
    Der Geistliche kniete vor dem Verurteilten nieder und tupfte ihm mit seinem Talar den Schweiss von der Stirn. In diesem Augenblick sackte Damiens’ Kopf auf seine nackte Brust. Er hatte erneut das Bewusstsein verloren. Der Geistlicheerhob sich und musterte nacheinander den Gerichtsdiener und Nicolas Sanson. Dann blieb sein Blick an Charles haften. Er schien zu wissen, wer der grossgewachsene Junge war. Er nickte ihm kaum merklich zu und lächelte, als wollte er andeuten, dass er ihm beistehen würde, wie er Damiens beistand. Sein Gesicht war weich und voller Güte. Er schien weder Hader noch Zorn zu kennen, sondern von einer unerschütterlichen Liebe zu Gott und den Menschen geleitet zu sein. Die Leute nannten ihn Pater Gomart. Er war ein Geistlicher, der sich jahrelang in einem Klosterorden zurückgezogen hatte und nun ein Priester des Schafotts geworden war, der letzte Freund der Todgeweihten.
    Der Polizeileutnant fragte Pater Gomart, ob er schon fertig sei. Beschämt senkte der Geistliche den Blick und sagte, er werde in der Kapelle der Conciergerie beten und auf den Verurteilten warten. Sofort gab der Leutnant den Gardesoldaten den Befehl, den Bewusstlosen in die Folterkammer des Bonbec-Turms zu bringen. Gemeinsam mit Onkel Nicolas folgte Charles den Soldaten in den Turm. Im düsteren Gewölbe warteten bereits die Mitglieder der Kriminalkammer. Sie wollten Damiens ein letztes Mal verhören. Denn noch glaubte niemand, dass der Attentäter allein gehandelt hatte. Noch glaubten alle, dass es im Hintergrund Verschwörer gab. Sie hielten Damiens für den Anführer eines von langer Hand geplanten Aufstandes. Die Kriminalrichter sassen hinter einem langen Tisch. Spärliches Licht fiel in Form von staubigen Kegeln auf ihre Häupter, als würden sie von Gott erleuchtet, um ihre Aufgabe besser zu erfüllen. Sie waren alle da, Maupeou, Molé, Severt, Pasquier, Rolland und Lambelin, ebenso Doktor Boyer. Als Charles denkotartigen Dreck auf dem Steinboden sah, blickte er zum Gewölbe hinauf. Hunderte von kleinen Fledermäusen hingen an der Decke, als würden sie stumm beobachten, was da unten nun geschah. Die Gardesoldaten setzten Damiens auf eine Bank. Doktor Boyer umwickelte Damiens’ Kopf mit nasskalten Tüchern. Sogleich erlangte Damiens das Bewusstsein wieder. Erneut musterte er seine Umgebung mit einem merkwürdig entrückten Blick. Er rutschte unruhig hin und her und versuchte dabei zu vermeiden, dass die Füsse den Boden berührten. Nun konnte man seine Worte deutlich verstehen: Er flehte Gott um Hilfe an. Wieder stiess er die Worte monoton und ohne Unterbruch heraus, als gelte es, unaufhörlich dieses Wort zu skandieren, um zu vergessen. Der vorsitzende Richter erhob sich und eröffnete Damiens, dass er der peinlichen Befragung unterworfen werde, da er nicht gestanden habe. Er forderte Torturmeister Frémy auf, Damiens den spanischen Stiefel anzuziehen. Ein Mann, der bisher gar nicht aufgefallen war, erhob sich von einer der hintersten Bänke. Langsam schritt er zum Angeklagten und richtete sich vor ihm auf. In der Hand hielt er zwei perforierte Eisenplatten. Damiens starrte ihn an. Unruhig rollte er die Augen. Dann schrie er, dass er unschuldig sei, dass eine Hexe ihn verzaubert habe: »Sie wohnt in der Rue du Bouclier. Schreiben Sie es auf, denn die Strasse ist so verhext, dass man selbst ihren Namen vergisst. Rue du Boisseau. Eines Nachts setzte sie ihren nackten Arsch auf mein Gesicht, und ich sah, wie schwarze Kröten aus ihrer eitrigen Fotze schlüpften.« Torturmeister Frémy drehte sich kurz zu den Mitgliedern der Kriminalkammer um, die angespannt hinter ihrem Tisch verharrten. Sie nickten.Dann nickte auch Frémy, und drei Gehilfen traten aus dem Halbdunkel hervor. Zwei hielten Damiens an den Armen fest, während der Dritte einen Schemel nahm und Damiens’ rechten Fuss darauf drückte. Damiens stiess erneut einen fürchterlichen Schrei aus und begann wirres Zeug zu reden. Er fragte ständig, wieso er hier sei, und beteuerte, dass er nichts Unrechtes getan habe.
    Frémy kniete vor Damiens nieder und schiente seinen Unterschenkel mit den beiden Metallplatten. Er fixierte sie mit Stricken, so dass der Unterschenkel wie in einem Schraubstock eingeklemmt war. Damiens brüllte erneut vor Schmerz. Die verkrusteten Wunden platzten und bluteten stark. Frémy presste die

Weitere Kostenlose Bücher